Leitsatz (amtlich)

Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 5 RVG-VV hat auch dann zu erfolgen, wenn die Antragstellerin des selbständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren des Antragsgegners, in dem dieser seinen Werklohnanspruch einklagt, als Nebenintervenientin die im selbständigen Beweisverfahren festgestellten Mängel einwendet.

 

Normenkette

RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 14.07.2015; Aktenzeichen 1 O 171/12)

 

Tenor

Die am 22.7.2015 bei dem LG Lüneburg eingegangene sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten gegen den am 17.7.2015 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 1. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 14.7.2015 wird zurückgewiesen.

Der Nebenintervenient hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf bis zu 500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.7.2015 hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin des LG auf der Grundlage der Kostenentscheidung des Einzelrichters der 1. Zivilkammer vom 25.3.2015 bzgl. des Nebenintervenienten die im selbständigen Beweisverfahren entstandene Verfahrensgebühr auf die des Hauptsacheverfahrens angerechnet.

1. Die Rechtspflegerin hätte mit ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 24.8.2015 die sofortige Beschwerde allerdings nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sie hätte vielmehr in der Sache entscheiden müssen.

Die sofortige Beschwerde genügte insbesondere der Form des § 569 ZPO. Eine Beschwerdeschrift muss als Prozesserklärung einem bestimmten oder zumindest einem ohne weiteres eindeutig bestimmbaren Rechtsmittelführer zuzuordnen sein, ansonsten ist sie formwidrig (vgl. BGH NJW-RR 2004, 862 f.). Im vorliegenden Fall war in diesem Sinne klar, wer die sofortige Beschwerde eingelegt hatte; dies war der beschwerte und damit beschwerdeberechtigte Nebenintervenient und nicht etwa sein Prozessbevollmächtigter im eigenen Namen, wovon die Rechtspflegerin im Nichtabhilfebeschluss vom 24.8.2015 ausgegangen ist.

Wäre Letzteres anzunehmen, wäre die sofortige Beschwerde in der Tat unzulässig, weil ein Prozessbevollmächtigter im Kostenfestsetzungsverfahren niemals beschwert ist, es sei denn, er ist im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnet worden und hat damit ein eigenes Beitreibungsrecht (vgl. § 126 Abs. 1 ZPO), was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.

Der sofortigen Beschwerde ist zwar nicht ausdrücklich zu entnehmen, für wen sie eingelegt worden ist. Der Wortlaut mit der verwendeten Ich-Form (" lege ich ... sofortige Beschwerde ... ein") könnte auch für ein Rechtsmittel des Prozessbevollmächtigten des Nebenintervenienten selbst sprechen. Dieser hat keine klarstellende Formulierung wie "namens und im Auftrag" des Nebenintervenienten oder "für" diesen verwendet.

Bei der vorzunehmenden Auslegung hat die Rechtspflegerin die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 5.10.2010 - VI ZR 257/08, NJW 2010, 1482 f.) nicht berücksichtigt, der der Senat bereits mit Beschl. v. 22.6.2015 - 2 W 150/15 - gefolgt ist (der von ihr zitierte Beschluss des Senates vom 11.6.2009 - 2 W 148/09 - ist überholt). Danach gilt der Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und dem recht verstandenen Interesse entspricht, wobei nicht unter allen Umständen am buchstäblichen Sinn einer Wortwahl - wie floskelhafter Formulierungen eines Rechtsanwalts in der "Ich-Form" bzw. "Wir-Form" - festzuhalten ist. In der Regel ist davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt richtige Prozesserklärungen abgeben will.

Damit gilt auch im vorliegenden Fall die Zweifelsregel, dass der Prozessbevollmächtigte des Nebenintervenienten als rechtskundiger Rechtsanwalt im Zweifel im Bewusstsein der ihm selbst fehlenden Beschwerdeberechtigung ein zulässiges Rechtsmittel einlegen wollte, so dass trotz der verwendeten "Ich-Form" bei verständiger Auslegung davon ausgegangen werden muss, dass er die sofortige Beschwerde im Namen des Nebenintervenienten eingelegt hat. Dies gilt um so mehr, als der Hinweis auf die Vorsteuerabzugsberechtigung des Nebenintervenienten im Kostenausgleichungsantrag vom 30.4.2015 (Bl. 364 d.A.) darauf schließen lässt, dass die Kostenfestsetzung namens und in Vollmacht des Nebenintervenienten beantragt und entsprechend auch für diesen die sofortige Beschwerde eingelegt worden ist (vgl. OLG Koblenz JurBüro 2002, 199 f.).

Nicht zuletzt hätte die Rechtspflegerin den Prozessbevollmächtigten des Nebenintervenienten um Klarstellung ersuchen müssen, wenn aus ihrer Sicht die Person des Beschwerdeführers zweifelhaft war (vgl. OLG Rostock MDR 2006, 418; OLG Brandenburg FamRZ 19...

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