Leitsatz (amtlich)
Erklärt ein Rechtsanwalt Klagerücknahme mit dem Zusatz, er gehe aufgrund einer vorangegangenen Anregung des Gerichts davon aus, dass die Beklagte auf Kostenerstattung verzichte, tut diese das in der Folgezeit aber nicht, sondern macht Kostenerstattungsansprüche geltend, ist auf seinen Antrag hin der Rechtsstreit mit mündlicher Verhandlung fortzusetzen, um über die Wirksamkeit der Klagerücknahme durch (Zwischen)Urteil zu entscheiden.
Normenkette
ZPO §§ 269, 303
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 06.10.2011; Aktenzeichen 2 O 62/10) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 6. Oktober 2011 und der Nichtabhilfebeschluss vom 18. Oktober 2011 werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.
Gründe
Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde des Klägers ist nach §§ 269, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie Erfolg. Das Landgericht hätte, anstatt dem Kläger nach vermeintlichem Abschluss des Rechtsstreits die Kosten aufzuerlegen, den Rechtsstreit auf dessen ausdrücklichen Antrag hin fortführen müssen.
1. Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist ein Kläger verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wenn die Klage zurückgenommen wird. Auf die - vom Kläger möglicherweise missverstandene - Anregung des Landgerichts im Beschluss vom 24. August 2011 hin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29. August 2011 erklärt, die Klage zurückzunehmen. In dem Schriftsatz heißt es außerdem, er gehe davon aus, dass die Beklagte auf Kostenerstattung verzichte, und eine diesbezügliche Erklärung dem Landgericht vorliege.
Gegen den Beschluss des Landgerichts vom 6. Oktober 2011, mit dem dem Kläger nach Rücknahme der Klage die Kosten auferlegt worden sind, hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Er hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und gegebenenfalls den Rechtsstreit fortzusetzen.
Dem hat das Landgericht zu Unrecht nicht entsprochen.
a) Besteht Streit über das Vorliegen einer Klagerücknahme oder deren Wirksamkeit, ist der Rechtsstreit durch mündliche Verhandlung fortzusetzen und über die Wirksamkeit der Klagerücknahme durch (Zwischen)Urteil zu entscheiden (Stein/Jonas - Roth, ZPO, Band 4, 22. Aufl., § 269 Rdnr. 33. Zöller - Greger, ZPO, 28. Aufl., § 269 Rdnr 19 b. Zöller - Vollkommer, ebenda, § 303 Rdnr. 6. OLG Köln, NZG 2004, 46, 47. Hessisches LAG, 9 Ta 25/06, Beschluss vom 14. August 2006, zit. nach juris. BGH, NJW 1995, 2229, zu § 515 ZPO a. F. ist nicht einschlägig, weil es hier nicht um die Zurücknahme der Berufung geht), wohingegen die Anwendung von § 269 Abs. 4 ZPO voraussetzt, dass über die Klagrücknahme kein Streit besteht. Das Zwischenurteil setzt regelmäßig eine mündliche Verhandlung voraus. Diese hat nach dem jetzigen Sach und Streitstand das Landgericht (vgl. Baumbach u. a. - Hartmann, ZPO, 69. Aufl., § 269 Rdnr. 28 a. E.) nachzuholen, und zwar unabhängig davon, ob es nicht ohnehin bereits von der Wirksamkeit der Klagrücknahme ausgeht.
b) Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung weist der Senat vorsorglich wie folgt hin:
Der Inhalt des Schriftsatzes vom 29. August 2011 lässt nach seinem Wortlaut die Annahme als naheliegend erscheinen, der Kläger habe die Rücknahme erklären wollen. Mehrfach optisch hervorgehoben heißt es: "nehme ich die Klage zurück und bitte um Aufhebung des Verhandlungstermins". An diesem Erklärungsinhalt ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger seine Motivation für die Abgabe der Rücknahmeerklärung dargelegt hat.
Dabei kann dahinstehen, ob eine bedingte Rücknahme vorliegt. Läge eine solche vor, änderte sich nichts. Die Rücknahme eines Rechtsmittels ist bedingungsfeindlich und infolgedessen unzulässig (vgl. BGH, XII ZB 80/07, Beschluss vom 26. September 2007). Es kommt daher auch von vornherein keine Umdeutung der erklärten Rücknahme in eine (unzulässige) bedingte Rücknahme in Betracht (vgl. ebenda).
§ 269 ZPO sieht - anders als etwa § 72 Abs. 2 Satz 3 FGO - auch keine Möglichkeit vor, nachträglich die Unwirksamkeit einer Klagrücknahme geltend zu machen. Lediglich ausnahmsweise ist in der Rechtsprechung aber anerkannt worden, dass der Gegner des Rechtsmittelklägers sich nach Treu und Glauben nicht auf eine Rücknahmeerklärung berufen könne, und diese dann als unwirksam zu behandeln sei. Voraussetzung soll sein, dass der Widerspruch der Rücknahmeerklärung zu dem wirklichen Willen, auf dem die Erklärung beruhte, für den Gegner und das Gericht ganz offensichtlich waren (BGH, II ZB 5/77, Beschluss vom 21. März 1977, VersR 1977, 574). Bislang jedenfalls ist unklar, wie der Kläger zu seiner im Schriftsatz vom 29. August 2011 geäußerten Annahme kam, er gehe davon aus, dass die Beklagte auf Kostenerstattung verzichte.
2. Eine Kostenentscheidung ist vom Senat nicht zu treffen. Über die Kosten der Beschwerde wird nach Abschluss des Verfahrens das Landgericht zu befinden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 3727775 |
MD... |