Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert einer Unterlassungsklage wegen des Einstellens eines Live-Bootlegs bei eBay durch eine Privatperson
Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert einer Unterlassungsklage nach § 97 Abs. 1 UrhG ist bei dem Anbietens eines LP-Bootlegs, der den Mitschnitt eines Live-Konzerts enthält, geringer zu bewerten als das Einstellen von Musiktiteln im Wege des Filesharing über Internet-Tauschbörsen.
2. Das maßgebliche Interesse des Unterlassungsklägers berechnet sich nicht in mathematischer Abhängigkeit von der Anzahl der angebotenen urheberrechtlich geschützten Musiktitel; zu berücksichtigen ist vielmehr die Einheitlichkeit der Darbietung eines vollständig in dem Bootleg wiedergegebenen Konzerts.
3. Eine Disziplinierungsfunktion hinsichtlich möglicher Nachahmer hat bei der Bemessung des Streitwertes außer Betracht zu bleiben.
Normenkette
UrhG § 97 Abs. 1, § 105; ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 08.05.2014; Aktenzeichen 18 O 168/14) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 18. Zivilkammer des LG Hannover vom 8.5.2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Wert der Beschwerde und - insoweit die Wertfestsetzung des LG von Amts wegen abändernd - der Wert des Verfügungsverfahrens erster Instanz wird einheitlich auf die Wertstufe bis 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 936, 922 Abs. 1 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO) zulässig.
II. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das LG Hannover ist nicht als Gericht der Hauptsache i.S.d. §§ 943 Abs. 1, 937 Abs. 1 ZPO anzusehen.
1. Maßgeblich für die hier im Streit stehende sachliche Zuständigkeit des LG in Urheberrechtsstreitsachen (§§ 104 Satz 1, 105 Abs. 1 UrhG) sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG (Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 105 Rz. 6; Reber in Ahlberg/Götting, Beck-OK Urheberrecht, Stand 1.3.2013, § 105 Rz. 2).
Bei Unterlassungsklagen aus dem Urheberrecht ist gem. § 3 ZPO grundsätzlich auf das individuelle Interesse des Klägers abzustellen (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rz. 16 "Urheberrecht"). Dabei bestimmt sich das Interesse des Rechteinhabers an der Vermeidung zukünftiger Rechtsverletzungen, wobei sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch der Umfang und die Intensität der in Rede stehenden und gegebenenfalls zukünftig drohenden Verletzungshandlungen zu berücksichtigen sind (OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.10.2011 - 2 W 92/11, juris Rz. 3; Senat, Beschluss vom 10.3.2014 - 13 W 16/14; Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 105 Rz. 6; Nordemann-Schiffel in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., V. Streitwerte im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Presse- und Persönlichkeitsrecht Rz. 13;). Dieses Interesse berechnet sich nicht in mathematischer Abhängigkeit von der Anzahl der angebotenen urheberrechtlich geschützten Musiktitel (OLG Köln, Urteil vom 23.12.2009 - 6 U 101/09, juris Rz. 20). Vielmehr ist im Rahmen der gebotenen Gesamtschau die Einheitlichkeit der Darbietung der vollständig in dem Bootleg wiedergegebenen Konzerte zu berücksichtigen.
Nach den vorgenannten Grundsätzen ist hier Folgendes maßgebend:
a) Die Wertangabe in der Antragsschrift ist zwar ein gewichtiges Indiz für das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers; sie bindet das Gericht aber nicht, insbesondere dann nicht, wenn sie offensichtlich unzutreffend ist (BGH, Beschl. v. 8.10.2012 - X ZR 110/11, juris Rz. 4). Der in der Antragsschrift vom 30.4.2014 genannte Gegenstandswert von 15.000 EUR ist bei dem e-Bay-Angebot einer 3-LP Box mit einem Bootleg von zwei Liveauftritten der Musikgruppe G. den 70er Jahren außerhalb der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit des Antragsgegners nicht gerechtfertigt.
b) Sachgerecht erscheint es hier, den Streitwert in der Hauptsache mit der Wertstufe bis 5.000 EUR zu bemessen. Auf der einen Seite ist hier zu berücksichtigen, dass es sich bei G. um eine weltweit sehr bekannte Musikgruppe handelt, die seit mehreren Jahrzehnten durchgängig außerordentlich erfolgreich war und eine Vielzahl von Tonträgern etc. verkauft hat. Hinzu kommt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Musiktiteln um Live-Aufnahmen eines "BBC radio-recordings" aus dem Jahre 1972 sowie eines Konzerts in M./Kanada vom 21.4.1974 handelt, so dass das Verkaufsangebot bei eBay insbesondere für Sammler eine besondere Bedeutung hat, da diese nicht auf eine vergleichbare offizielle Veröffentlichung von G. aus dem damaligen Zeitraum zurückgreifen können. Auf der anderen Seite ist aber zu beachten, dass es sich hier um einen einmaligen Privatverkauf handelt. Aus dem Screenshot der Angebotsseite von eBay ist ersichtlich, dass der Antragsgegner lediglich 20 Bewertungen aufweist und als privater Verkäufer angemeldet ist. Von einer weit verbreiteten Verletzung mit erheblichen Schäden kann daher nicht ausgegangen werden.
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