Leitsatz (amtlich)
Eine einstweilige Verfügung auf Wiedereinräumung des durch verbotene Eigenmacht entzogenen Besitzes kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der unrechtmäßige Besitzer den Besitz an der Sache zwischenzeitlich einem Dritten überlassen hat.
Normenkette
ZPO §§ 886, 935, 940; BGB §§ 861, 868
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 07.08.2007; Aktenzeichen 5 O 298/07) |
Tenor
Es wird erwogen, die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Verden vom 7.8.2007 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die in dem Beschluss des LG vom 11.7.2007 für den Fall der Zwangsvollstreckung angedrohte Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft entfällt.
Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. zur Rücknahme der Berufung aus Kostengründen bis zum 31.10.2007.
Gründe
Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:
1. Zu Recht und von der Beklagten nicht angegriffen hat das LG festgestellt, dass sich der Verfügungsanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB ergibt. Der Verfügungsbeklagte hat dem Verfügungskläger durch verbotene Eigenmacht den Besitz an dem angemieteten Objekt entzogen. Dem Verfügungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Verfügungsbeklagte den unmittelbaren Besitz an einen Dritten weitergegeben hat und der Verfügungsbeklagte damit nur noch mittelbarer Besitzer ist. Denn ggü. dem mittelbaren Besitzer kann der frühere Besitzer wahlweise Abtretung seines Herausgabeanspruches gegen den unmittelbaren Besitzer oder aber Herausgabe der Sache verlangen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl., § 861 Rz. 11). Im Streitfall hat der Verfügungskläger die Wahl dahingehend getroffen, dass er die Herausgabe der Sache verlangt.
Dass der Verfügungsbeklagte selbst zur Herausgabe nicht in der Lage ist, weil er das Objekt weiter vermietet hat, steht dem nicht entgegen. Denn in diesem Fall richtet sich der Anspruch auf Verschaffung des mittelbaren Besitzes gem. § 870 BGB. Dieser Herausgabeanspruch wird gem. § 886 ZPO dadurch vollstreckt, dass der Gläubiger den Anspruch des Schuldners auf Herausgabe pfänden und sich überweisen lassen kann. Kann der Gläubiger aufgrund eines erwirkten Vollstreckungstitels nicht gegen den Dritten, an den der Schuldner die unbewegliche Sache weiter vermietet hat, vollstrecken und ist der Dritte nicht zur Herausgabe bereit, muss der Gläubiger einen Vollstreckungstitel gegen den Dritten entweder aufgrund eines eigenen Herausgabeanspruches (§§ 861 Abs. 1, 858 Abs. 2 BGB) oder nach Pfändung und Überweisung des Herausgabeanspruchs des Schuldners gem. § 886 ZPO erwirken (vgl. BGH MDR 2007, 1159).
2. Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund liegt in § 861 Abs. 1 BGB selbst, eines weitergehenden besonderen Verfügungsgrundes bedarf es nach allgemeiner Ansicht nicht. Das BGB hat in der Regelung der Besitzschutzansprüche erkennen lassen, dass es deren Befriedigung für besonders eilbedürftig hält. Diese Eilbedürftigkeit schlägt im Verfahren dergestalt durch, dass eine auf Herausgabe gerichtete einstweilige Verfügung grundsätzlich zulässig ist (vgl. Stein/Jonas//Grunsky, ZPO, 22. Aufl., vor § 935 Rz. 44).
Ohne Erfolg macht der Verfügungsbeklagte geltend, nach der Überlassung des Mietobjekts an einen Dritten scheide eine einstweilige Verfügung zur Besitzverschaffung aus. Der diesbezügliche Hinweis des Verfügungsbeklagten auf den Aufsatz von Kluth und Grün in der NZM 2002, 473 ff., Mietrechte bei Doppelvermietung, geht fehl, weil dieser Aufsatz sich mit einer anderen Problematik auseinander setzt. Dort geht es um die Frage, ob ein Mieter seinen Erfüllungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen seinen Vermieter im Wege der einstweiligen Verfügung geltend machen kann, wenn der Vermieter ein Mietverhältnis auch zu einem Dritten begründet hat (sog. Doppelvermietung) und diesem Dritten das Mietobjekt zum Besitz übergeben hat. In diesen Fällen vertritt in der Tat eine überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung, dass der Überlassungsanspruch eines solchen Mieters nicht im Wege der einstweiligen Verfügung gesichert werden kann (vgl. etwa auch zuletzt KG MDR 2007, 1126). Im Streitfall macht der Verfügungskläger aber keinen petitorischen Erfüllungsanspruch aus dem Mietverhältnis geltend, sondern einen possessorischen Besitzschutzanspruch. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass diese Ansprüche grundsätzlich durch einstweilige Verfügung gesichert werden können.
Der vom LG erlassenen einstweiligen Verfügung kann auch nicht entgegen gehalten werden, eine einstweilige Verfügung diene der sofortigen Wiederherstellung des unmittelbaren Besitzes, was im Falle der Weiterve...