Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auswahl eines Vormundes für unbegleitete Flüchtlinge.
2. Es besteht kein Vorrang eines Berufsvormundes gegenüber der Amtsvormundschaft.
Verfahrensgang
AG Bückeburg (Beschluss vom 12.11.2015) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Landkreises S. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bückeburg vom 12.11.2015 aufgehoben, soweit das Jugendamt des Landkreises S. zum Vormund bestellt worden ist. Insoweit wird die Sache zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das AG - Familiengericht -Bückeburg zurückverwiesen.
II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
III. Es wird davon abgesehen, Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren zu erheben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das nunmehr 16 Jahre alte Kind hat die Staatsbürgerschaft des Landes A.. Es ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen und befindet sich in der Obhut des Landkreises S.. Derzeit besteht kein Kontakt zu den Eltern, da sich diese auf der Flucht befinden sollen.
Mit Schreiben vom 6.11.2015 hat der Landkreis beim Familiengericht angeregt, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und einen Vormund zu bestellen. Weiter wurde angeregt, einen Ergänzungspfleger für den Aufgabenkreis Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen.
Das Familiengericht hat - ohne Anhörung der Beteiligten - mit Formularbeschluss vom 12.11.2015 festgestellt, dass die elterliche Sorge ruht, und die elterliche Sorge einem Vormund übertragen. Das Jugendamt des Landkreises S. ist zum Vormund bestellt worden.
Der Landkreis wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass das Jugendamt als Vormund des betroffenen Kindes bestellt worden ist. Er hat zunächst beantragt, den Beschluss insoweit aufzuheben und einen namentlich benannten Rechtsanwalt zum Vormund zu bestellen und zugleich festzustellen, dass diese Vormundschaft berufsmäßig geführt wird. Der Rechtsanwalt soll weiter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung zum Vormund bestellt werden. Die Auswahl des Jugendamtes als Vormund sei fehlerhaft. Nach der gesetzlichen Regelung seien vorrangig ehrenamtlich tätige Personen als Vormund zu bestellen. Soweit solche nicht zur Verfügung stünden, seien Vormundschaftsvereine oder Berufsvormünder zu bestellen. Eine Amtsvormundschaft sei nur dann anzuordnen, wenn andere Personen oder Vereine als Vormünder nicht zur Verfügung stünden. Dem Familiengericht sei auf elektronischem Wege eine Liste mit Namen und Anschriften von Personen übersandt worden, die sich gegen Vergütung als Vormund zur Auswahl stellten. Es handele sich überwiegend um Rechtsanwälte, die bereits aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung als geeignet anzusehen seien. Die gültige Zulassung als Rechtsanwalt zeuge von einwandfreier polizeilicher Führung. Da das Familiengericht es unterlassen habe, diese Personen als Vormund in Betracht zu ziehen, liege ein schwerwiegender Ermessensfehler vor. Das Jugendamt hat ergänzend beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das AG zurückzuverweisen.
Eine Eilentscheidung sei geboten. Das Abwarten einer Entscheidung im normalen Verfahrensgang liefe dem Kindeswohl zuwider, da ungenutzte Zeit zur Integration verstreichen würde.
II. Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Jugendamtes ist zulässig. Gem. § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG bedarf es nicht der Feststellung einer besonderen Beschwer des Jugendamtes, die im Übrigen angesichts der angeordneten Verpflichtung, die Vormundschaft für das betroffene Kind zu übernehmen, zu bejahen wäre, § 59 Abs. 1 FamFG.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, folgt im vorliegenden Falle jedenfalls aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (Brüssel II a-VO). Diese Verordnung ist stets anwendbar, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, vgl. Art. 61 lit. a Brüssel II a-VO (MünchKomm/Tillmanns 6. Aufl. § 55 SGB VIII Rn 7). Grundsätzlich sind nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel II a-VO die Gerichte des Staates für die Sorgerechtsregelung international zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Neben der körperlichen Anwesenheit eines Kindes werden weitere Faktoren für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts - in Abgrenzung einer nur vorübergehenden Anwesenheit - herangezogen, namentlich eine gewisse Integration in ein soziales und familiäres Umfeld sowie die Dauer des Aufenthalts (Johannsen/Henrich, Familienrecht 6. Aufl. § 99 FamFG Rn 10). Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird dabei grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf eine längere Zeitdauer angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Dase...