Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfallsanordnung im Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren: Wert des Erlangten bei Durchführung eines generell verbotenen Schwertransports ohne Ausnahmebewilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bestimmung des Wertes des "Erlangten" i. S. d. § 29a Abs. 1 OWiG bei Begehung einer Ordnungswidrigkeit unter Missachtung einer hoheitlichen Kontrollbefugnis kommt es darauf an, ob es sich um ein rein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt. Bei Missachtung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt beschränkt sich der Wert in der Regel auf die ersparten Aufwendungen für das unterlassene behördliche Genehmigungsverfahren; bei Zuwiderhandlung gegen ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist erlangt die vertragliche Gegenleistung abzüglich der Mehrwertsteuer (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 19. Januar 2012, 3 StR 343/11 - BGHSt 57, 79).
2. § 29 Abs. 3 StVO und § 70 Abs. 2 StVZO sehen Ausnahmebewilligungen von einer generell verbotenen Tätigkeit vor. Der Verstoß gegen die zulässigen Obergrenzen für Länge, Höhe und Gewicht nach der StVO und der StVZO beschränkt sich nicht auf die Missachtung einer hoheitlichen Kontrollbefugnis. Führt die Verfallsbeteiligte einen Schwertransport ohne die erforderliche Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO und ohne eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 2 StVZO durch, so hat sie die vertragliche Gegenleistung abzüglich der Mehrwertsteuer für diese Handlung erlangt.
Normenkette
OWiG § 29 Abs. 3, § 29a Abs. 1; StVZO § 29 Abs. 3; StVO § 70 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Tostedt (Entscheidung vom 11.01.2013) |
Tenor
1. Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
2. Die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tostedt vom 11. Januar 2013 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG).
3. Die Verfallsbeteiligte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht ordnete gegen die Verfallsbeteiligte wegen Verstoßes gegen § 70 StVZO den Verfall eines Geldbetrags in Höhe von 690 € an.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte die Verfallsbeteiligte am 29. September 2011 einen Transport von drei Traktoren der Marke "J. D." von B. nach K. durch. Der Auftrag hatte sich kurzfristig ergeben, so dass eine Leerfahrt vermieden werden konnte. Bei einer Verkehrskontrolle auf dem Parkplatz S. an der BAB 1, Fahrtrichtung H., wurde festgestellt, dass der Zug mit Ladung die zulässigen Maße überschritt. Die zulässige Höhe von 4 m wurde von der Zugmaschine um 13 cm, vom Anhänger um 20 cm überschritten, die zulässige Breite von 2,55 m wurde um 25 cm, die zulässige Fahrzeuggesamtlänge von 18,75 um 1,18 m und das zulässige Gesamtgewicht von 40.000 kg mit Ladung um 2.582 kg überschritten.
Die Verfallsbeteiligte verfügte über eine bis zum 31. Dezember 2014 befristete Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO der Regierung der Oberpfalz vom 15. Dezember 2008, mit der für den Zug eine Gesamtlänge von 20,45 m und ein Gesamtgewicht von bis zu 44.000 kg zugelassen sind. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist die Ausnahmegenehmigung an die Bedingung geknüpft, dass sie nur gelte, wenn eine unteilbare Ladung mitgeführt werde. Ferner wurde die "Auflage" erteilt, eine Genehmigung nach § 29 Abs. 3 StVO mitzuführen. Eine solche Genehmigung war der Verfallsbeteiligten für diesen Transport nicht erteilt worden.
Die Verfallsbeteiligte erhielt für den Transport eine Nettovergütung in Höhe von 690 €. Diesen Betrag sah das Amtsgericht als "erlangt" i. S. d. § 29a OWiG an.
Gegen das Urteil wendet sich die Verfallsbeteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie insbesondere geltend macht, das Amtsgericht habe zu Unrecht offen gelassen, ob der Transport genehmigungsfähig gewesen sei. Bei einer Genehmigungsfähigkeit seien "erlangt" aber nur die durch Nichtbeantragung der Genehmigung ersparten Aufwendungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II.
Die gem. §§ 87 Abs. 5, 6 OWiG i. V. m. § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen.
Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:
1. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verfallsanordnung gegen die Verfallsbeteiligte als Drittbegünstigte i. S. d. § 29a Abs. 2 OWiG einer mit Geldbuße bedrohten Handlung.
Für den Transport fehlte die straßenbezogene Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO; damit war - nach den Feststellungen im Übrigen auch schuldhaft - der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 2 Nr. 7 StVO erfüllt. Nach den Feststellungen deckte auch die fahrzeugbezogene Ausnahmegenehmigung den Transport nicht, weil sie nur für den Transport einer unteilbaren Ladung erteilt war. Damit war auch der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 32 Abs. 4 Nr. 4 StVZO i. V. m. § 69a Abs. 3 Nr. 2 StVZO erfüllt, denn nach den Feststellung...