Leitsatz (amtlich)

1) Dem Auftraggeber steht gem. § 16 Abs. 6 S. 1 VOL/A ein Beurteilungsspielraum zu, ob er ein Angebot im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung als ungewöhnlich niedrig einstuft.

2) Zur Zuständigkeit des Verwaltungsausschusses für die Vergabeentscheidung

3) Vergaberechtsfehler von Amts wegen aufzugreifen, kommt nur dann in Betracht, wenn ein Fehler vorliegt, der es unmöglich macht, das Vergabeverfahren fortzusetzen, z.B. weil eine vergaberechtskonforme Wertung der vorliegenden Angebote und ein entsprechender Zuschlag auf der Grundlage der vorliegenden Ausschreibung nicht möglich ist.

 

Normenkette

VOL/A § 16 Abs. 6; NGO § 40 Abs. 1 Nr. 11; GWB § 117 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 26.08.2011; Aktenzeichen VgK-34/2011)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Regierungsvertretung Lüneburg - vom 26.8.2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin sowie die durch das Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB verursachten Kosten zu tragen.

Im Beschwerdeverfahren war es für die Antragsgegnerin notwendig, einen Verfahrensbevollmächtigten hinzuzuziehen.

 

Gründe

I. Mit EU Bekanntmachung vom 22.2.2011 schrieb die Antragsgegnerin die Durchführung der ihr gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 NRettDG und in § 5 Abs. 1 NRettDG bestimmten Aufgaben des Rettungsdienstes auf dem Gebiet der Antragsgegnerin bestehend aus Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport für 6 Jahre beginnend mit dem 1.1.2012 im offenen Verfahren in zwei Losen aus.

Das hier streitgegenständliche Los Nr. 2 umfasst die Notfallrettung und den qualifizierten Krankentransport im Bereich der Fahrzeugstandorte H., W. und L. Straße sowie die beiden NEF Standorte St. B. Krankenhaus und Klinikum H.

Jeder Bieter durfte maximal auf ein Los bieten. Bietergemeinschaften waren zugelassen.

Den Zuschlag sollte das wirtschaftlich günstigste Angebot erhalten. Zuschlagskriterien waren mit einem Gewichtungsanteil von je 50 % der Preis und eine qualitative Bewertung der vorzulegenden Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports.

Bei der Submission stellte die Antragsgegnerin die rechnerisch geprüften Angebotssummen der Antragstellerin mit 9.973.810,63 EUR, der Beigeladenen zu 2 mit 9.158.403,20 EUR, der Beigeladenen zu 3 mit 8.508.680,91 EUR, sowie der Beigeladenen zu 1 mit 7.396.025,80 EUR fest. Im Rahmen der Angebotswertung bat die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 1 um Vorlage bestimmter Nachweise und lud sie zu einem Aufklärungsgespräch am 20.4.2011 ein. Nach Wertung der von den Bietern erstellten Konzepte kam die Antragsgegnerin nach dem gemeinsamen Vergabevermerk für beide Lose vom 29.4.2011 zu dem Ergebnis, dass das Angebot der Antragstellerin mit insgesamt 73 Punkten an letzter Stelle lag. Das Angebot der Beigeladenen zu 1 erzielte 91 Punkte und lag an erster Stelle.

Die Antragstellerin rügte die Wertung und die Entscheidung der Antragsgegnerin und stellte einen Nachprüfungsantrag. Die Vergabekammer stellte mit Beschluss vom 28.6.2011 (VGK-21/2011) fest, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt worden sei. Sie verpflichtete die Antragsgegnerin erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der Konzepte für die Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports zu wiederholen, die Prüfung der Angemessenheit des von der Beigeladenen zu 1 geforderten Angebotspreises auf der Grundlage des Vermerks über das Aufklärungsgespräch vom 20.4.2011 zu wiederholen und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 20 VOL/A genügenden Weise zu dokumentieren.

Nach erneuter Wertung legte die Antragsgegnerin ihr Ergebnis im ergänzenden Vergabevermerk für das Los 2 vom 1.7.2011 nieder. Sie kam dabei zu demselben Ergebnis. Am 4.7.2011 erklärte der Verwaltungsausschuss die Zustimmung zu der beabsichtigten Vergabe der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe mit Schreiben gem. § 101a GWB vom 4.7.2011 mit.

Mit Schreiben vom 6.7.2011 rügte die Antragstellerin erneut die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene zu 1. Die Dokumentation sei immer noch nicht ordnungsgemäß. Mit Schreiben vom 7.7.2011 wies die Antragsgegnerin diese Rüge zurück, woraufhin die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragte. Unter dem 21.7.2011 erhielt die Antragstellerin von der Vergabekammer neuerliche Akteneinsicht in die sie betreffenden Unterlagen.

Mit Beschluss vom 26.8.2011 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig, jedoch unbegründet. Die von der Antragsgegnerin ausweislich des ergänzenden Vergabevermerks vom 1.7.2011 durchgeführte Wiederholung der Angebotswertung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge