Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung der Anerkennung eines tunesischen Scheidungsurteils
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Antrag auf Anerkennung eines ausländischen Urteils aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt, so entfaltet diese Entscheidung keine Bindungswirkung nach § 107 Abs. 9 FamFG für künftige Verfahren oder gerichtliche Entscheidungen.
2. Im Anerkennungsverfahren nach § 109 Abs. 4 FamFG besteht eine Mitwirkungspflicht des antragstellenden Ehegatten, weshalb dessen Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt werden kann, wenn er die Beteiligung des anderen Ehegatten mangels Angaben zum unbekannten aktuellen Aufenthalt im Ausland nicht fördert und nichts zu seinen Ermittlungsbemühungen vorträgt.
3. Sofern das Anerkennungshindernis des fehlenden rechtlichen Gehörs gemäß § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG mangels Rüge des Antragsgegners ausscheidet, kann gleichwohl der Versagungsgrund des Ordre public nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG in Betracht kommen, der allerdings restriktiv anzuwenden ist.
Normenkette
FamFG § 107 Abs. 5 S. 1, Abs. 9, § 109 Abs. 1 Nrn. 2, 4
Tenor
I. Der Antrag des Antragstellers, den Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle vom 15. April 2020 zu ändern, mit welchem die Anerkennung der Scheidung gemäß Urteil vom 18. Oktober 2011 des Gerichts in S., Tunesien, Az. ..., abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
III. Der Geschäftswert des gerichtlichen Verfahrens beläuft sich auf 5.000 EUR.
IV. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den die Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Senats vom 20. Oktober 2020 wird zugleich auf seine Kosten verworfen.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt die Anerkennung einer in Tunesien ausgesprochenen Scheidung in Deutschland.
Die Beteiligten hatten am ... 2009 in Tunesien die Ehe geschlossen. Der Antragsteller ist in Deutschland geboren und verfügt seit seiner Einbürgerung über die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Antragsgegnerin ist tunesische Staatsangehörige und soll nach der Auskunft der Ausländerbehörde des Landkreises P. am 14. August 2010 nach Deutschland eingereist und seit 7. Dezember 2011 nach unbekannt ausgereist sein. Bereits im August 2011 hat der Antragsteller in Tunesien ein Scheidungsverfahren eingeleitet. Das Amtsgericht S. 1 - Familiengericht - hat mit Urteil vom 18. Oktober 2011 die Scheidung der Ehe ausgesprochen. Aus den Gründen des Scheidungsurteils lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin weder zum Sühnetermin am 6. September 2011 noch zum Verhandlungstermin am 4. Oktober 2011 vor dem Gericht in S. erschienen ist oder einen Bevollmächtigten entsandt hat.
Der Antragsteller hat erstmals mit Antrag vom 19. April 2012 die Anerkennung der Scheidung in Deutschland bei der Landesjustizverwaltung am Oberlandesgericht Celle begehrt. Das Verfahren wurde mangels Betreibens des Antragstellers im September 2014 nicht weiter gefördert, sondern erst auf die erneute Antragstellung vom 4. September 2017 wiederaufgenommen. Der Antrag enthält keine genauen Angaben zur aktuellen Anschrift der Antragsgegnerin, die sich in Tunesien aufhalten soll. Die Ermittlungen gegenüber dem Ausländerzentralregister des Bundesverwaltungsamtes sowie beim Landkreis P. haben hierzu keine Erkenntnisse erbracht.
Die Justizverwaltung hat mit Verfügung vom 16. September 2019 darauf hingewiesen, dass der Anerkennung des tunesischen Urteils die fehlende Beteiligung der Antragsgegnerin im Erstverfahren entgegenstehen könnte, weil es an Angaben zur Bekanntgabe des Scheidungsantrags und zur Ladung zu den Terminen fehle. Der Antragsteller hat hierzu mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 Stellung genommen, allerdings keine weiteren Nachweise über eine Beteiligung der Antragsgegnerin im tunesischen Scheidungsverfahren beigebracht. Er hat angegeben, dass seiner damaligen Ehefrau die Gerichtstermine bekannt gewesen seien, sie diese aber bewusst nicht wahrgenommen habe.
Die Präsidentin des Oberlandesgerichts Celle hat mit Bescheid vom 15. April 2020 den Antrag auf Anerkennung des tunesischen Scheidungsurteils abgelehnt, auf welchen ergänzend Bezug genommen wird. Zur Begründung ist auf das Anerkennungshindernis des Ordre public nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG abgestellt worden. Danach scheidet die Anerkennung in Deutschland aus, wenn sich der andere Ehegatte in dem ausländischen Scheidungsverfahren nicht eingelassen hat und ihm die Antragsschrift, mit welcher das ausländische Verfahren eingeleitet wurde, nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt wurde, so dass er sich nicht verteidigen konnte, obwohl er dies womöglich gewollt hätte, vgl. § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Im Streitfall könne die Regelung des § 109 Abs. 1 Nr. 2 FamFG mangels Rüge der nicht beteiligten Antragsgegnerin zwar nicht herangezogen werden. Es greife aber die ausnahmsweise in Betracht zu ziehende allgemeine Regelung nach Abs. 1 Nr. 4 FamFG durch, weil nach den...