Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur möglichen Eintragung von Intersexuellen in das Geburtenregister ohne Angabe eines Geschlechts
Leitsatz (amtlich)
Intersexuelle Personen können ohne Angabe eines Geschlechts in das Geburtenregister eingetragen werden. Die Eintragung eines dritten Geschlechts mit Umschreibungen wie "inter" oder "divers" ist unzulässig.
Normenkette
PStG § 21; PstG § 22
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 13.10.2014; Aktenzeichen 85 III 105/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG Hannover vom 13.10.2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwältin N. in B. beigeordnet.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin beantragt im vorliegenden Verfahren die Berichtigung des Geburtseintrags Nr. 813 des Standesamts G. vom 23.11.1989 dahingehend, dass die Geschlechtsangabe, wonach "ein Mädchen geboren" wurde, in die Angabe "inter" oder "divers" geändert wird.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass sie weder eine Frau noch ein Mann sei. Sie legt das Ergebnis einer Chromosomenanalyse der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität vom 18.2.2005 vor. Danach lautet der Befund: 45, X - numerisch pathologischer Karyotyp mit Monosomie X/Ullrich-Turner Syndrom. Zur Beurteilung wird ausgeführt, dass es sich um einen numerisch auffälligen Chromosomensatz mit einem X-Chromosom und einem fehlenden zweiten Gonosom (45, X) handelt.
Die Standesamtsaufsicht wies in ihrer Stellungnahme vom 1.8.2014 darauf hin, dass es nicht möglich sei, ein drittes Geschlecht in die Personenstandsregister einzutragen. Der Gesetzgeber habe sich für eine binäre Geschlechterordnung entschieden und lediglich die Möglichkeit geschaffen, gar kein Geschlecht einzutragen.
Das AG Hannover hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Geschlecht eines Kindes mit "weiblich" oder "männlich" oder ohne eine solche Angabe einzutragen sei. Die Angabe des Geschlechts mit "inter" oder "divers" sei nicht vorgesehen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, für die sie um Verfahrenskostenhilfe nachsucht. Damit verfolgt sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiter. Sie meint, dass sie einen Anspruch auf eine der eigenen Geschlechtsidentität entsprechende Eintragung habe.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie führt jedoch nicht zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das AG geht in nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die Voraussetzungen für die begehrte Berichtigung der Angaben des Geschlechts der Antragstellerin in der Geburtsurkunde nach §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 2 Nr. 1 PStG nicht vorliegen.
1. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG wird im Geburtenregister das Geschlecht des Kindes beurkundet. Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall nach § 22 Abs. 3 PStG ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen. Die Vorschrift wurde durch das Personenstandsrechts-Änderungsgesetz vom 7.5.2013 (BGBl. I, 1122, 2440) (PStRÄndG) mit Wirkung vom 1.11.2013 eingefügt.
§ 22 Abs. 3 PStG korrespondiert mit Nr. 21.4.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV) (BAnz 2010, Nr. 57a). Danach unterbleibt eine Eintragung, wenn das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Umschreibungen wie "ungeklärt" oder "intersexuell" sind nicht zulässig. Diese Klarstellung ist durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz (PStG-VwV-ÄndVwV) vom 3.6.2014 eingefügt worden.
Das AG hat somit in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG sowie Nr. 21.4.3 PStG-VwV den Antrag auf Berichtigung des Geburtenregisters dahingehend, dass das Geschlecht als "inter" oder "divers" eingetragen wird, zurückgewiesen. Die Antragstellerin könnte lediglich eine Streichung des Geschlechts "weiblich" erreichen.
2. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift erfasst die Regelung des § 22 Abs. 3 PStG nicht lediglich den Fall, dass bei einem Neugeborenen für eine Übergangszeit eine Geschlechterzuordnung nicht möglich ist. Dagegen spricht die Gegenüberstellung der Regelung über die Angabe der Vornamen (§ 22 Abs. 1 PStG), für die eine Monatsfrist gilt, und der Regelung über die Geschlechtsangabe (§ 22 Abs. 3 PStG), für die keine Frist vorgesehen ist.
In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung war die Änderung des § 22 Abs. 3 PStG nicht vorgesehen (BT-Drucks. 17/10489). Aus der Beschlussempfehlung und ...