Entscheidungsstichwort (Thema)
Regenschauer für Motorradfahrer kein Notfall
Leitsatz (amtlich)
1. Das Einsetzen eines Regenschauers stellt auch für einen Motorradfahrer keinen Notfall dar, der ein Halten auf dem Standstreifen der Autobahn (hier unter einer Brücke) rechtfertigt.
2. Das Verbot des Haltens auf einer Autobahn dient nicht dem Schutz von Verkehrsteilnehmern, die unabhängig davon infolge eigenen Verschuldens ins Schleudern geraten und dadurch von der Fahrbahn abkommen, so dass eine Mithaftung des Haftenden entfällt.
Normenkette
StVG §§ 7, 17; StVO § 18 Abs. 7
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Beschluss vom 11.10.2001; Aktenzeichen 4 O 225/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 21.11.2001 wird – unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde vom 21.1.2002 – der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Hildesheim vom 11.10.2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Dem Antragsteller wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt unter Beiordnung von Rechtsanwalt … in … zu den Bedingungen eines in … ansässigen Rechtsanwalts für eine Klage mit folgenden Anträgen:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.396,12 Euro (8.598,06 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 10.2.2001 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger als weiteres Schmerzensgeld einen Betrag von 5.112,92 Euro (10.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 10.2.2001 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen immateriellen Schaden, soweit dieser gegenwärtig noch nicht sicher vorhersehbar ist, sowie sämtlichen zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Unfall vom 21.5.1997 auf der … km …, Richtung …, Landkreis …, entsteht, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der weiter gehende Prozesskostenhilfeantrag wird zurückgewiesen.
Dem Antragsteller werden Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren i.H.v. 12,50 Euro auferlegt.
Gründe
Die Beschwerde erweist sich zum Teil, nämlich hinsichtlich der vom Antragsteller beanstandeten Haftungsquote, als begründet. Die Auffassung des LG, der Antragsteller müsse sich einen Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteil i.H.v. insgesamt 25 % anrechnen lassen, weil er entgegen § 18 Abs. 8 StVO auf der Standspur einer Autobahn gehalten habe, teilt der Senat nicht. Dem Antragsteller ist zwar ein Verstoß gegen die genannte Vorschrift anzulasten, weil das bloße Einsetzen eines heftigen Regenschauers (auch für einen Motorradfahrer) kein zwingender Notfall ist, der in Abweichung von § 18 Abs. 8 StVO ein Halten auf dem Standstreifen einer Autobahn rechtfertigt. Der Verstoß des Antragstellers gegen diese Vorschrift ist jedoch für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden, weil sich der Unfall auch dann ereignet hätte, wenn der Antragsteller, etwa mit einer Reifenpanne, berechtigt auf der Standspur gestanden hätte. Die Antragsgegnerin zu 1) hatte nämlich die Kontrolle über ihr Fahrzeug infolge eines Fahrfehlers bzw. zu hoher Geschwindigkeit verloren und war ins Schleudern geraten. Das Verbot, auf der Standspur einer Autobahn ohne zwingenden Grund anzuhalten, dient aber nicht dem Schutz von Verkehrsteilnehmern, die durch eigenes Verschulden ins Schleudern geraten und dadurch von der Fahrbahn abgekommen sind. Dafür ist es auch nicht von Bedeutung, dass der Antragsteller sein Motorrad unter einer Brücke abgestellt hat, unter der er, verglichen mit einem Anhalten unter freiem Himmel, möglicherweise weniger gut sichtbar gewesen ist. Die Antragsgegnerin zu 1) hätte, entgegen ihrer Darstellung, auch bei einer besseren Sichtbarkeit des Antragstellers nicht „ihr Fahrverhalten darauf einstellen” können, weil sie sich bereits in einem nicht mehr kontrollierbaren Schleuderzustand befand und Richtungswechsel ihres Fahrzeuges nicht mehr herbeiführen konnte.
Im Übrigen hätte sich der geschilderte Unfall auch dann ereignet, wenn sich der Antragsteller mit seinem Fahrzeug nicht auf der Standspur befunden hätte, sondern in gleicher Höhe auf der Fahrspur gefahren wäre (insoweit vergleichbar: OLG Celle VersR 1976, 498).
Die erweiterte Beschwerde des Antragstellers gemäß Schriftsatz vom 21.1.2002 blieb hingegen ohne Erfolg, weshalb der Senat davon abgesehen hat, die hier bereits vorliegenden Akten zur erneuten Abhilfeprüfung dem LG noch einmal zurückzuübersenden. Zutreffend hat das LG betreffend den Haushaltsführungsschaden des Antragstellers einen Stundensatz von 15 DM, nicht 18 DM, zugrunde gelegt. Der einen 1-Personen-Haushalt („Junggesellenhaushalt”) führende Antragsteller war nur zeitweise und (bedingt durch den Heilungsverlauf) in unterschiedlichem Maße hilfsbedürftig, wobei angesichts des vorstellbaren Tätigkeitsspektrums einer Haushaltshilfe ein Stundensatz von 15 DM angemessen erscheint (§ 287 ZPO).
Ausgehend von einer ungeschränkten Haftung der Antragsgegner dem Grunde nach und von dem im Übrigen nicht angefochten...