Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Übertragung einer Strafvollstreckung an Rumänien
Leitsatz (amtlich)
Die Übertragung der Vollstreckung einer in der Bundesrepublik verhängten Freiheitsstrafe an einen anderen EU-Staat ist unzulässig, wenn der Verurteilte in dem anderen EU-Staat Haftbedingungen zu erwarten hat, die menschenrechtlichen Mindeststandards nicht genügen. Dies gilt auch dann, wenn mit der Vollstreckungsüberragung eine Rücküberstellungszusage erfüllt werden soll.
Normenkette
IRG §§ 73, 85, 85c; EMRK Art. 3
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Entscheidung vom 14.07.2015; Aktenzeichen 20 KLs 26 Js 41344/14) |
Tenor
Die Vollstreckung des noch nicht verbüßten oder durch Anrechnung von Haftzeiten erledigten Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. Juli 2015 (Aktenzeichen: 20 KLs 26 Js 41344/14) in Rumänien wird für nicht zulässig erklärt.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist rumänischer Staatsbürger und wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 4. November 2014 in Rumänien in Auslieferungshaft genommen. Das Appellationsgericht in Timisoara erklärte am 31. Oktober 2014 seine Auslieferung an die deutschen Justizbehörden zum Zwecke der Strafverfolgung in Deutschland für zulässig mit der Maßgabe, dass der Verfolgte im Falle der Verhängung einer Freiheitsstrafe zum Strafvollzug nach Rumänien überstellt wird.
Mit Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 14. Juli 2015 (Aktenzeichen: 20 KLs 26 Js 41344/14) wurde der Verfolgte wegen schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen sowie wegen versuchten schweren Bandendiebstahls in drei Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem Urteil des Landgerichts Mosbach vom 10. Juli 2015 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist bezüglich des Verfolgten rechtskräftig seit dem 22. Juli 2015.
Die Staatsanwaltschaft Hildesheim leitete daraufhin zur Erfüllung der Rücküberstellungsbedingung ein Überstellungsverfahren nach Rumänien ein.
Gegenüber der Justizvollzugsanstalt S. erklärte der Verurteilte zunächst, dass er die Strafe in Rumänien verbüßen möchte. In der daraufhin veranlassten förmlichen Anhörung nach § 85 Abs. 1 Satz 2 IRG vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Lehrte am 14. Dezember 2015 gab er jedoch an, die Strafe in Deutschland verbüßen zu wollen. Seine Verlobte sei hier ansässig und die Staatsanwaltschaft habe ihm zudem in Aussicht gestellt, dass er nur die Hälfte der Strafe verbüßen müsse. Außerdem habe er die Möglichkeit, hier eine bereits begonnene Qualifizierungsmaßnahme zu beenden.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2016 teilte die Staatsanwaltschaft Hildesheim dem Verurteilten mit, dass ungeachtet seiner fehlenden Zustimmung gleichwohl die Rücküberstellung nach Rumänien beabsichtigt sei. Von der ihm hierzu unterbreiteten Gelegenheit zur Stellungnahme machte der Verurteilte keinen Gebrauch.
Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat mit Zuschrift an den Senat vom 18. April 2016 beantragt, gemäß § 85c IRG die Übertragung der Vollstreckung der durch das Landgericht Hildesheim mit Urteil vom 14. Juli 2015 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe auf die Republik Rumänien für zulässig zu erklären.
Mit Beschluss vom 30. Juni 2016 hat der Senat die Entscheidung über die Zulässigkeit der Rücküberstellung des Verurteilten in sein Heimatland Rumänien zurückgestellt, weil aufgrund der in einem Vorlagebeschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen vom 8. Dezember 2015 an den Europäischen Gerichtshof (OLG Bremen, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 1 Ausl. A 23/15) dargestellten Erwägungen konkrete Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die an eine Inhaftierung zu stellenden menschenrechtlichen Mindeststandards in Rumänien nicht durchgehend eingehalten werden. Einer Zulässigkeitserklärung könne daher unter Umständen § 73 IRG entgegenstehen.
Der Senat hat daher mit seinem Beschluss vom 30. Juni 2016 die antragstellende Staatsanwaltschaft Hildesheim ersucht, dem Senat nähere Informationen zu den Bedingungen zu unterbreiten, unter denen der Verfolgte dort inhaftiert werden soll. Der Senat hat betont, dies könne namentlich durch Vorlage einer Zusicherung der rumänischen Justizbehörden hinsichtlich der konkret einzuhaltenden Haftbedingungen erfolgen.
Die Staatsanwaltschaft Hildesheim hat daraufhin mit Schreiben vom 20. Juli 2016 das zuständige rumänische Appellationsgericht Timisoara um nähere Informationen und Abgabe einer Zusicherung hinsichtlich der Haftbedingungen gebeten, die der Verurteilte im Falle einer Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe in Rumänien zu erwarten hat.
Auf dieses Ersuchen hat das Appellationsgericht Timisoara mit Schreiben an die Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 15. November 2016 reagiert und mit diesem eine allgemein gehaltene Erklärung der nationalen Verwaltung der Justizanstalten Rumäniens vom 26. Oktober 2016 hinsichtlich der generelle...