Leitsatz (amtlich)
Schließt der Vorstand einer Aktiengesellschaft mit Dritten Verträge, obwohl zur Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG der Aufsichtsrat berufen war, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 134 BGB, sondern zur Anwendbarkeit der §§ 177ff BGB.
Normenkette
BGB § 112 AktG, §§ 134, 177 ff.
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 5 O 356/01) |
Tenor
Der Antrag des Verfügungsklägers vom 24.1.2002, ihm Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zu bewilligen, wird gebührenfrei zurückgewiesen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nachgesuchte Prozesskostenhilfe war dem Verfügungskläger zu versagen. Seine Berufung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg nach Maßgabe der §§ 119 Abs. 1, 114 ZPO.
Denn der Verfügungskläger hat keinen Anspruch auf die beantragten Grundbuchberichtigungen. Die Grundbücher sind richtig. Die Verfügungsbeklagte hat durch die im Jahre 1998 geschlossenen Grundstückskaufverträge wirksam Eigentum bzw. in einem der hier anhängig gewordenen Fällen: ein Erbbaurecht – erworben. Denn die genannten Verträge sind nicht wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nichtig. Sie verstoßen auch nicht gegen die Nachgründungsvorschrift des § 52 Abs. 1 AktG. Das hat das LG in dem angefochtenen Urteil mit zutreffender Begründung ausgeführt. Dem schließt sich der Senat an. Ergänzend ist insoweit auszuführen:
1. Die von dem früheren Vorstandsmitglied der … mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Übertragungsverträge sind nicht wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nichtig. Es kann dahinstehen, ob – was hier allein in Betracht zu ziehen ist – § 112 AktG auf den vorliegenden Fall, dass der Vorstand einer AG Kaufverträge mit einer anderen Kapitalgesellschaft abschließt, wobei er zu diesem Zeitpunkt dieser AG (Verfügungsbeklagten) unstreitig nicht als Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied angehörte, sondern lediglich deren (alleiniger) Aktionär war, entsprechende Anwendung finden kann. Selbst wenn dies unter dem Gesichtspunkt „wirtschaftlicher Identität” zu bejahen wäre, waren nämlich die mit der Verfügungsbeklagten geschlossenen Übertragungsverträge nicht nichtig, sondern nach den §§ 177 ff. BGB nur schwebend unwirksam. Sie wurden deshalb durch die unstreitig seitens des Aufsichtsrats am 12.11.1999 erteilte Genehmigung nach § 181 Abs. 1 BGB wirksam, wobei etwaige Formmängel nach § 313 S. 2 BGB geheilt sind.
a) Zwar wird vor allem im aktienrechtlichen Spezialschrifttum die Auffassung vertreten, dass § 112 AktG als gesetzliches Verbot i.S.d. § 112 AktG anzusehen sei, sodass ein Verstoß die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts und nicht nur schwebende Unwirksamkeit zur Folge habe (so Mertens, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl., § 112 Rz. 5; m.w.N. auch aus dem aktienrechtlichen Schrifttum; ferner neben der bereits im angefochtenen Urteil genannten Entscheidung OLG Stuttgart v. 20.3.1992 – 2 U 115/90, AG 1993, 85 = BB 1992, 1669 auch OLG Hamburg v. 16.5.1986 – 11 U 238/85, AG 1986, 259 = WM 1986, 972).
Dagegen lehnen das OLG Karlsruhe (WM 1996, 161 mit Anmerkung Fonk in WiB 1996, 431) und mit ihm das wohl überwiegende zur Kommentierung des BGB vorhandene Schrifttum eine Anwendung des § 134 BGB ab (vgl. z.B. Soergel/Hefermehl, BGB, 13. Aufl., § 134 Rz. 2; Staudinger/Sack, 13. Aufl., § 134 Rz. 33 jeweils m.w.N.).
Einige Stimmen in der Literatur schlagen eine differenzierende Betrachtungsweise danach vor, ob im konkreten Einzelfall das Gesetz den Geschäftserfolg wegen Befangenheit des Vorstands dessen Zuständigkeit entzieht (Beispiel: Bezügeregelung für den Vorstand) oder ob nur praktisch ein „Normalfall” allein fehlender Vollmacht vorliegt (so z.B. Hüffer, AktG, 4. Aufl., § 112 Rz. 7; ferner Fonk.).
Der BGH hat für den Fall gerichtlicher Vertretung eine Genehmigung zugelassen (BGH v. 21.6.1999 – II ZR 24/98 = WM 1999, 2026), für Fälle außergerichtlicher Vertretung die Frage in der Entscheidung BGH v. 7.7.1993 – VIII ZR 2/92, AG 1994, 35 = WM 1993, 1630 jedoch ausdrücklich offen gelassen.
b) Der Senat schließt sich mit dem LG der Auffassung an, wonach die §§ 177 ff. BGB anwendbar sind und § 112 AktG insbesondere kein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB beinhaltet.
Gegen die Wertung des § 112 AktG als gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB spricht bereits, dass § 112 AktG eine Regelung der Vertretungsmacht darstellt und Rechtsgeschäfte, die der Vorstand gleichwohl an Stelle des als Vertretungsorgan berufenen Aufsichtsrats vornimmt, nicht als solche (hier also die Kaufverträge) verboten sind. Liegt aber nur eine Regelung bzw. Begrenzung der Rechtsmacht vor, ist im Zweifel kein Verbotsgesetz anzunehmen (vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 134 Rz. 5).
Entscheidend aber ist, dass sich die Aktiengesellschaft auch im Falle der Annahme bloß schwebender Unwirksamkeit ausreichend dadurch schützen kann, dass der Aufsichtsrat die erforderliche Genehmigung versagt. Deshalb wird – worauf das LG bereits zutreffend hingewiesen hat – auch bei Anwendung der §§ 177 ff. BGB der Normz...