Leitsatz (amtlich)
Frist zur Ablehnung des Sachverständigen nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens.
Verfahrensgang
LG Hannover (Beschluss vom 19.12.2003; Aktenzeichen 16 OH 8/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Hannover vom 19.12.2003 wegen Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. … wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 250.000 Euro.
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt ein Beweisverfahren mit dem Ziel der Begutachtung einer von der Antragsgegnerin geplanten und projektierten Industrieanlage zur thermischen Nachverbrennung. Auf die Beweisbeschlüsse des LG erstattete der Sachverständige sein Gutachten, das der Antragsgegnerin am 6.6.2003 zur Stellungnahme übersandt worden ist. Nach beantragter und gewährter Fristverlängerung bis zum 6.8.2003 beantragte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 25.7.2003 (Eingang 28.7.), den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Ihre Besorgnis begründete sie im Wesentlichen damit, der Sachverständige habe das Gutachten auf Informationen der Antragstellerin gestützt, die der Antragsgegnerin nicht bekannt waren. Nach Einholung der Stellungnahme des Sachverständigen vom 11.8.2003 begründete sie den Ablehnungsantrag ergänzend im Schriftsatz vom 1.9.2003 mit der in jener Stellungnahme aufgestellten Behauptung des Sachverständigen einer von beiden Parteien im Ortstermin akzeptierten „pragmatischen Vorgehensweise zur Gutachtenerstellung” mit einer einmaligen „Korrekturschleife”. Auf die genannten Schriftsätze wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Das LG hat die Anträge zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, auf deren Begründung (Bl. 250 ff.) ebenfalls verwiesen wird.
II. Die Beschwerde ist nach § 406 Abs. 5 ZPO zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
1. Das am 28.7.2003 gestellte Ablehnungsgesuch ist bereits wegen Nichtbeachtung der Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig. Darauf hatte die Antragstellerin bereits mit Schriftsatz vom 8.8.2003 (Bl. 166) und erneut in der Beschwerdeerwiderung (Bl. 269 f.) hingewiesen, ohne dass die Antragsgegnerin auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt jemals eingegangen wäre.
Das Ablehnungsgesuch gegen einen Sachverständigen ist für den Fall, dass der Ablehnungsgrund – wie hier – aus dem schriftlichen Sachverständigengutachten hergeleitet wird, nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO unverzüglich i.S.v. § 121 Abs. 1 BGB zu stellen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung vom Ablehnungsgrund. Wird ein Sachverständiger aufgrund des Inhalts seines Gutachtens bzw. darin enthaltener Erklärungen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, muss dieser Antrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens unter Berücksichtigung einer Überlegungsfrist gestellt werden. Das ist – soweit ersichtlich – einhellige Auffassung der Rspr.der OLG (vgl. nur OLG Naumburg, Beschl. v. 29.8.2001 – 10 W 23/01 m.zahlr.w.N., zitiert nach juris). Einigkeit besteht auch darin, dass eine vom Gericht gesetzte Frist zur Stellungnahme zu dem Gutachten (die im vorliegenden Fall noch einmal verlängert worden war) nicht maßgebend ist. Wohl überwiegend wird von einigen Oberlandesgerichten sogar die Einhaltung einer Frist von i.d.R. zwei Wochen für den Ablehnungsantrag gefordert (OLG München v. 2.9.2003 – 13 W 2082/03, MDR 2004, 228 m.w.N.; ebenso OLG Saarbrücken v. 12.6.2001 – 1 W 132/02, OLGReport Saarbrücken 2002, 331; OLG Karlsruhe IBR 2002, 292).
Ob dieser strengeren Auffassung in jedem Fall zu folgen ist, braucht hier indessen nicht entschieden zu werden. Immerhin ist bei der Bemessung der Frist der Sinn und Zweck des § 406 ZPO, eine bei erfolgreicher Ablehnung überflüssige Tätigkeit des Sachverständigen zu vermeiden, zu berücksichtigen, was bei einer Ablehnung nach Vorlage des Gutachtens die Sache nicht derart eilbedürftig macht. Zu berücksichtigen ist auch die Zubilligung einer angemessenen Überlegungs- und Prüfungsfrist, die im Einzelfall auch über 2 Wochen liegen kann. Das Ablehnungsgesuch ist vorliegend erst am 28.7. gestellt worden und damit etwa 7 Wochen nach Zugang des Gutachtens. Das ist jedenfalls nicht mehr unverzüglich und innerhalb einer angemessenen Überlegungsfrist zumal es für den Ablehnungsantrag auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten gerade nicht ankam. Die Antragsgegnerin hat i.Ü. auch nicht einmal vorgetragen, dass und aus welchen unverschuldeten Gründen sie an einer früheren Ablehnung des Sachverständigen gehindert gewesen wäre.
2. Unabhängig davon teilt der Senat aber auch die Auffassung des LG, das einen objektiven Grund, der bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht der Antragsgegnerin die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnte, nicht festgestellt hat. Solche Gründe sind auch nicht ersichtlich.
Das Ablehnungsgesuch vom 25.7.2003 war ausdrücklich darauf gestützt, der Sachverständige habe sein Gutachten auf Informationen gestützt, von denen er wissen musste, dass sie der Antrag...