Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. kann - zwangsläufig - vom Antragsgegner erst dann gestellt werden, wenn sich für ihn aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls ergibt, dass ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine vorzeitige Zuschlagserteilung gegeben sein könnten. Von daher wird es in aller Regel so sein, dass ein derartiger Antrag nicht sofort, etwa bereits mit der Antragserwiderung im Hauptsacheverfahren, gestellt werden kann, sondern erst zu dem Zeitpunkt, an dem sich abzeichnet, dass das Nachprüfungsverfahren nicht innerhalb der Regelfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 GWB a.F. beendet werden wird.

2. Entscheidend kann nicht sein, ob der Antrag auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit Erfolg hätte gestellt werden können, sondern nur, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem er gestellt wird, die Voraussetzungen hierfür (noch) vorliegen.

 

Normenkette

GWB a.F. § 113 Abs. 1 S. 1; GWB § 115 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, das Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB a.F. wiederherzustellen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Antragsverfahrens nach § 115 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. vor dem Vergabesenat trägt die Antragstellerin einschließlich der notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen.

Der Gegenstandswert für das Antragsverfahren vor dem Vergabesenat wird auf 259.611,97 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der Antragsgegner hat den Auftrag "Leitstellentechnik für die kooperative Großleitstelle O." (K.) als Bauleistung mit Bekanntmachung vom 13.2.2009 europaweit als nicht offenes Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Die K. ist eine von zukünftig acht Großleitstellen der Polizei N. Davon sind sechs als kooperative Leitstellen geplant. Das Land N. plant, diese zu einem Leitstellenverbund auszubauen. Das Projekt "K." wird als Baumaßnahme des Landes N. durchgeführt.

Hierbei handelt es sich um eine gemeinsame Leitstelle von Feuerwehr/Rettungsdienst/Krankentransport und Polizei im O.

Mit Informationsschreiben vom 14.8.2009, korrigiert durch Schreiben vom 25.8.2009, informierte der Antragsgegner die Bieter über den beabsichtigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen. Der Antragstellerin teilte sie mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen wurde, weil es nicht alle Bedingungen der Ausschreibung erfüllt habe. Den gegen die Entscheidung des Antragsgegners gerichteten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 21.8.2009 hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 8.10.2009 als nicht statthaft zurückgewiesen. Der Senat hat auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin den Beschluss der Vergabekammer mit Beschluss vom 3.12.2009 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin an die Vergabekammer zurückverwiesen. Nach Zurückverweisung hat die Vergabekammer entschieden, Beweis zu erheben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Mit Schriftsatz vom 1.4.2010 hat die Antragstellerin den von der Vergabekammer bestellten Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 27.4.2010 hat die Vergabekammer den Befangenheitsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Der Senat hat mit Beschluss vom 25.5.2010 die Ablehnung des beauftragten Sachverständigen durch die Antragstellerin wegen Besorgnis der Befangenheit für begründet erklärt. Mit Beschluss vom 8.7.2010 hat die Vergabekammer einen neuen Gutachter beauftragt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Beigeladenen hat diese nach Hinweis des Senats zurückgenommen. In der Folgezeit sind vor der Vergabekammer von den Beteiligten die an den Sachverständigen zu stellenden Beweisfragen erörtert worden. Diesen Erörterungen hat die Vergabekammer mit Beweisbeschluss vom 15.9.2010 Rechnung getragen. Unter dem 12.12.2010 hat der Sachverständige einen 74 Seiten langen Bericht vorgelegt, in dem er im Wesentlichen ausführt, welche verschiedenen Teste er durchzuführen gedenkt.

Mit Schriftsatz vom 25.11.2010 hat der Antragsgegner beantragt, diesem zu gestatten, den Zuschlag nach Ablauf von zwei Wochen seit Bekanntgabe dieser Entscheidung gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB a.F. zu erteilen. Mit Beschluss vom 20.12.2010 hat die Vergabekammer diesem Antrag stattgegeben. Wegen der diesbezüglichen Begründung wird auf den Beschluss der Vergabekammer vom 20.12.2010 Bezug genommen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin. Sie beantragt, gemäß § 115 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. das Zuschlagsverbot nach § 115 Abs. 1 GWB a.F. wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene beantragt, den Antrag der Antragstellerin vom 21.12.2010 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Verfahren nach § 115 GWB a.F. vor der Vergabekammer und dem Senat wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Der Antrag der Antragstellerin ist nach § 115 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 GWB a.F. statthaft und auch im Übrigen zulässig. In de...

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