Leitsatz (amtlich)
Zur Wettbewerbswidrigkeit einer Fernsehwerbung für Sportwetten, deren Veranstalter keine Erlaubnis der zuständigen inländischen Behörde besitzt.
§ 284 StGB stellt auch nach dem Urteil des BVerfG vom 28.3.2006 (1 BvR 1054/01, CR 2006, 474) eine gesetzliche Vorschrift i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Normenkette
UWG § 4 Nr. 11; StGB § 284
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 05.09.2006; Aktenzeichen 18 O 181/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Hannover vom 5.9.2006 geändert.
Die Verfügungsbeklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, auf dem Gebiet der elf alten Bundesländer Sportwetten zu bewerben, die nicht durch dasjenige Bundesland behördlich erlaubt sind, auf dessen Gebiet die Sportwetten beworben werden, insgesamt wie nachstehend wiedergegeben:
"s.. de. Live wetten. Live erleben."
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Verbot ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
Die Verfügungsbeklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
A. Die Verfügungsbeklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte zu 1) ist die R. GmbH, die ihr Fernsehprogramm im deutschen Fernsehen bundesweit ausstrahlt. Die Verfügungsbeklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte zu 2) ist ihre Geschäftsführerin. Bei den Übertragungen zur Fußballweltmeisterschaft strahlte die Beklagte zu 1 mehrmals einen Werbespot des Sportwettenangebots "s." aus. Am Ende des Webespots wurde der Slogan eingeblendet "s.de. Live-Wetten. Live- Erleben." Auf der Internet-Seite mit der Domain "s.de" werden Sportwetten präsentiert und Wettquoten für einzelne Wetten angegeben. Dem Benutzer wird durch Anklicken der Felder "Anmelden" oder "Registrieren" oder "Mein Wettschein - Bitte suchen Sie eine Wette aus" mittels Hyperlinks ermöglicht, sich für eine Wette anzumelden oder, wenn der Benutzer noch kein "s.-Kunde" ist, sich registrieren zu lassen. Inhaber der Internetdomain "s.de" ist die B. GmbH mit Sitz in G../Ö.. Die B. GmbH verfügt über eine Bewilligung des Landes S. vom 21.3.2005 zum gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten im Bundesland S.. Sie wurde im Impressum der Internet-Seite "s.de" bis zum 14.6.2006 genannt. Nach diesem Zeitpunkt wurde dort die d. Sportwettengesellschaft mbH mit Sitz in D. aufgeführt. Die Beklagten haben geltend gemacht, die deutsche Sportwettengesellschaft mbH könne sich auf die einem Herrn Dr. H. bzw. einer Sportwetten D. GmbH am 28.8.1990 erteilte Gewerbeerlaubnis der Stadt D. vom 28.8.1990 zum Abschluss und zur Vermittlung von Wetten (Anlage AG 7) berufen. Die D. Sportwettengesellschaft mbH leite die die Wetten zu dem Angebot der B. GmbH in Ö. unter der Domain "s.com" weiter.
Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist die T GmbH. Sie veranstaltet im Gebiet des Bundeslandes Niedersachsen auf der Grundlage einer Erlaubnis nach dem Niedersächsischen Lotteriegesetz Sportwetten. Die Sportwetten finden in Abstimmung mit den übrigen 15 Landeslotteriegesellschaften statt, die jeweils für ihr Bundesland auf der Grundlage der dort geltenden Lotteriegesetze über eine behördliche Erlaubnis verfügen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass das Sportwettenangebot der B. GmbH in Deutschland gem. § 284 StGB verboten sei. Mit der Werbung für dieses Angebot verstoße die Beklagte zu 1 gegen § 284 Abs. 4 StGB. Dieses Verhalten stelle zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. Die Beklagte zu 2 sei als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 ebenfalls zur Unterlassung verpflichtet.
Die Klägerin hat mit ihrem am 16.6.2006 beim LG eingegangenen Antrag im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt, den Beklagten aufzugeben, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, auf dem Gebiet der alten Bundesländer Sportwetten zu bewerben, die nicht durch dasjenige Bundesland behördlich erlaubt sind, auf dessen Gebiet die Sportwetten beworben werden, insgesamt wie nachstehend wörtlich wiedergegeben:
"s.de. Live-Wetten. Live-Erleben".
Die Beklagten sind dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegen getreten.
Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung durch Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den Bestimmungen des NLottG handele es sich um eine reine Marktzutrittsregel, die nicht unter § 4 Nr. 11 UWG falle. Die Vorschrift des § 284 StGB sei zwar bisher in ständiger Rechtsprechung stets als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG angesehen worden, weil der Erlaubnisvorbehalt vornehmlich der Abwehr von Gefahren des Glückspiels für die Verbraucher diene. Diese Rechtsprechung könne mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG vom 28.3.2006 - 1 BvR 1054/01, CR 2006, 474) vor einer Änderung der landesrechtlichen Lotteriegesetze aber nicht aufrechterhalten werden...