Leitsatz (amtlich)

Der im Hinblick auf einen bestimmten Zivilprozess geäußerte Vorwurf des Prozessbetrugs kann als Tatsachenbehauptung einzustufen sein.

 

Normenkette

StGB §§ 823, 1004; BGB § 186

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 6 O 4079/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen VII ZR 440/01)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Hannover vom 18.1.2001 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer: 12.000 DM.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

I. Das LG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin gem. §§ 823, 1004 BGB, 186 StGB zu.

Die beanstandeten Äußerungen sind entgegen der vom LG vertretenen Ansicht als Tatsachenbehauptungen einzustufen, weil sie nach dem Gesamtzusammenhang, in dem sie fielen, einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich gemacht werden können. Zwar kann die Bezeichnung eines Vorgangs als strafrechtlich relevanter Tatbestand – hier kriminelles Handeln und Betrug – eine Rechtsauffassung und damit ein Werturteil darstellen. Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung jedoch dann zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. zum Vorwurf der Bestechung: BGH NJW-RR 1999, 1251).

So ist es hier: Der Beklagte stellte die im Klageantrag unter Ziff. 1 und 2 genannten beanstandeten Äußerungen in dem Schreiben Anlage K1 zur Klageschrift an den Leiter der Niederlassung der Klägerin in …, …, auf. Hintergrund des Schreibens war, dass der Beklagte die Klägerin in zwei Prozessen vor dem AG Hannover (Az.: 535 C 4875/98 und 535 C 18437/99) wegen eines nicht ordnungsgemäß, nämlich zu spät, ausgeführten Transportauftrags auf Schadensersatz in Anspruch nahm. Kurz vor dem Verhandlungstermin in einem der Prozesse ging das Schreiben bei dem Niederlassungsleiter … ein. In dem Schreiben heißt es:

„Am 16.3.2000 um 9:00 Uhr ist der nächste Showdown, an dem die Rechtsvertretung der … vor dem AG Hannover wieder mit einigen Unwahrheiten den Schaden bei mir belassen will. …

Trotzdem stehen wieder Lügen und alte Lügen in der Klageerwiderung für den 16.3.2000 bei dem AG Hannover. Vielleicht wäre es besser für Sie, die Sie vertretenden Anwälte zu beeinflussen, von Anfang an der Wahrheit die Ehre zu geben …. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit schon mitgeteilt, dass diese kriminellen Tricks von … in Ihr Privatleben einstrahlen werden … Wenn erst im Wohngebiet der Fam. … bekannt wird, dass … eine kriminell agierende, schlampig arbeitende, Kunden betrügende Spedition ist, werden sicher auch … nicht so froh sein, dass Sie die Kanzlei … nicht ermahnt haben, nur mit Wahrheiten zu kämpfen.”

Damit erhob der Beklagte den Vorwurf, die Klägerin habe sich in der genannten Klageerwiderung mit wahrheitswidrigen Behauptungen verteidigt. Dieser Vorwurf ist einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich. Entsprechendes gilt für die unstreitig anlässlich des Termins vom 16.3.2000 im Gerichtssaal gefallene Äußerung des Beklagten gegenüber dem Rechtsanwalt der Klägerin „was die Firma … macht, ist Betrug”. Der Beklagte erläuterte diese Erklärung in seinem Brief vom 24.8.2000 an den Rechtsanwalt der Klägerin dahin, „… mag klassischen Prozessbetrug begangen haben”. Der Beklagte hat die Betrugsvorwürfe im vorliegenden Verfahren dahin konkretisiert, die Klägerin habe in den Schadensersatzansprüchen in 3 Punkten falsch vorgetragen.

Gemäß der nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB geltenden Beweisregel hat der Beklagte die Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen darzulegen und nachzuweisen (BGH v. 17.11.1992 – VI ZR 344/91, NJW 1993, 930 [931] = MDR 1993, 122). Das hat er nicht getan:

Zwar ist es richtig, dass die Klägerin im Prozess AG Hannover 535 C 4875/98 – im Hinblick darauf, dass Frachtführer gem. CMR nur i.H.d. Frachtforderung haften würden – vortragen ließ, sie, die Klägerin, habe dem (hiesigen) Beklagten die Frachtrechnungen bereits storniert. Richtig ist auch, dass die Rechtsanwälte der Klägerin in diesem Punkt falsch vortrugen. Jedoch ist die Behauptung nicht zu widerlegen, der unrichtige Vortrag habe auf einem Irrtum der Rechtsanwälte beruht. Beweis für eine Absicht der Klägerin, die für einen Prozessbetrug notwendig wäre, tritt der Beklagte nicht an. Die Absicht eines Prozessbetrugs erscheint auch unwahrscheinlich angesichts des Umstands, dass es im fraglichen Punkt nur um einen Betrag von 144,33 DM ging, und dass die Rechtsanwälte wussten, dass die Klägerin die behauptete Rückzahlung dieser Summe, wenn es darauf ankommen würde, nachzuweisen hatte.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Klägerin habe unzutreffend vorgetragen, dass Hauptfrachtführer die Firma … i...

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