Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflicht bei der Vermögensanlageberatung; kein Schadensersatzanspruch ohne Schaden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Art und der Umfang einer möglichen Pflichtverletzung durch den Anlageberater oder Vermittler hängen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Eine solche Einschätzung vermag nicht vorgenommen zu werden und folglich kann ein Gericht darüber Feststellungen nicht treffen, wenn über die Anbahnungssituation, die Vorkenntnisse des Anlegers, die Kenntnis des Beraters oder Vermittlers über das Vorwissen des Anlegers sowie den Umfang, die Dauer und den konkreten Ablauf der Beratungsgespräche nicht vorgetragen wird.
2. Das Recht, wegen einer im Verhandlungsstadium begangenen schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung die Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen, setzt einen Schaden voraus. Dieser tritt nicht automatisch mit der Eingehung des Vertrages ein, sondern setzt voraus, dass der Vertragsabschluss für den Betroffenen unter Berücksichtigung der für die Schadensfeststellung allgemein anerkannten, aus §§ 249 ff. BGB folgenden Grundsätze, wirtschaftlich nachteilig gewesen ist (so auch BGH v. 26.9.1997 - V ZR 29/96, MDR 1998, 25 m. Anm. Imping = WM 1997, 2309 = NJW 1998, 302 = BB 1997, 2553 = ZIP 1998, 154 = VersR 1998, 905).
Normenkette
BGB §§ 249, 252
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 01.07.2005; Aktenzeichen 1 O 232/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Hannover vom 1.7.2005 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt aus eigenem sowie aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Rückabwicklung ihrer am 23.1.1995 gezeichneten Beteiligung an der "Vierte DHB-W. KG" (Abk.: 4. DHB). Die Parteien streiten darum, ob dem Handelsvertreter der Beklagten Pflichtverletzungen bei der Abwicklung des Geschäfts zur Last fallen, insb. über die Risiken nicht belehrt worden und der Klägerin sowie ihrem Ehemann hierdurch ein Schaden entstanden ist.
Das LG hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf das zur näheren Sachverhaltsdarstellung sowie wegen der Gründe seiner Entscheidung Bezug genommen wird, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch auf Rückabwicklung weiter verfolgt.
Die Klägerin meint, sie habe entgegen der Ansicht des LG Beratungsfehler des Handelsvertreters L. hinreichend dargelegt, weshalb die Zeugen B. (Ehemann der Klägerin) und L. zur Aufklärung des Sachverhalts hätten vernommen werden müssen. Das nach der Zeichnung der Beteiligung von der Fondsgesellschaft unter Einräumung einer einwöchigen Widerrufsmöglichkeit erstellte Schreiben (Bl. 62 d.A.) enthalte keinen angemessenen Hinweis auf die Risiken, sondern sei im Gegenteil nur darauf angelegt, Vertrauen zu erzeugen. Ein gravierender Fehler des angefochtenen Urteils sei es deshalb, das Vorliegen eines Beratungsverschuldens letztlich offen zu lassen und im Hinblick auf das erwähnte Schreiben vom 25.1.1995 und die Nichtinanspruchnahme der eingeräumten Widerrufsmöglichkeit eine Kausalität eines eventuellen Beratungsfehlers des Handelsvertreters L. für den Schaden zu verneinen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 1.7.2005 die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.737,13 EUR zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2.2.1995, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus der Beteiligung Nr. .... der 4. DHB der W. KG.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bestreitet weiterhin Aufklärungsmängel durch den Handelsvertreter L. und den Emissionsprospekt der 4. DHB. Das LG habe insoweit zurecht von einer näheren Aufklärung des Sachverhalts abgesehen, weil es an ausreichendem Vortrag der Klägerin gefehlt habe.
II. Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das LG hat i.E. zutreffend eine positive Vertragsverletzung durch Falschberatung verneint. Zudem fehlt es an der ausreichenden Darlegung eines Schadens der Klägerin und ihres Ehemannes.
1. Die Art und der Umfang einer möglichen Pflichtverletzung hängen von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Eine solche Einschätzung vermag nicht vorgenommen zu werden und folglich kann ein Gericht darüber Feststellungen nicht treffen, wenn über die Anbahnungssituation, die Vorkenntnisse der Klägerin (und ihres Ehemannes), die Kenntnis der Beklagten über das Vorwissen der Klägerin sowie den Umfang, die Dauer und den konkreten Ablauf der Beratungsgespräche nicht vorgetragen wird (st. Rspr. des Senats; vgl. OLG Celle, Urt. v. 14.4.2005 - 11 U 311/04).
An diesen erforderlichen Einschätzungen und Bewertungen, die Grundlage von Feststellungen im Rahmen der Prüfung einer Pflichtverletzung sein könnten, fehlt es im Streitfall, weil die Klägerin trotz des insoweit substantiierten Verteidigungsvorbringens der Beklagten diesbezüglich weiteren Vortrag nicht gehalten und insb. Dau...