Leitsatz (amtlich)
›Der Rechtsstreit wird durch ein Insolvenzverfahren nicht gemäß § 240 ZPO hinsichtlich der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdenden Unterhaltsansprüche unterbrochen, da der nach §§ 36 Abs. 1 InsO, 850, 850c ZPO pfändungsfreie Neuerwerb des Unterhaltsschuldners nicht Teil der Insolvenzmasse nach § 35 InsO ist.‹
Verfahrensgang
AG Hildesheim (Entscheidung vom 11.04.2002; Aktenzeichen 39 F 39285/01) |
Gründe
Die Berufung ist teilweise begründet.
Nach der Abtrennung des Rechtsstreits, soweit Unterhaltsansprüche für die Zeit von Februar bis September 2002 infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten betroffen sind, ist über den Unterhalt der Klägerin für die Zeit ab Oktober 2002 zu entscheiden.
Der Rechtsstreit ist nicht nach § 240 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens insgesamt unterbrochen. Grundsätzlich führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei zur Unterbrechung des Verfahrens, wenn es die Insolvenzmasse betrifft. Die Unterbrechung erfasst nach der Rechtsprechung des BGH den Rechtsstreit insgesamt (ebenso Zöller-Greger, 23. Aufl., Rdn. 8 zu § 240; MünchKomm - ZPO - Feiber Rdn. 19 zu § 240; Thomas/Putzo, 24 Aufl., Rdn. 4 zu § 240) und damit auch insoweit, als "die konkursfreie Rechtsstellung des Beklagten betroffen ist" (NJW 1966, 51; keine Unterbrechung im Fall der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot gegen den Schuldner OLG Celle, OLG Report 2002, 258).
Gegenstand des Rechtsstreits muss ein Teil der Insolvenzmasse sein. Das Insolvenzverfahren erfasst nach § 35 InsO das Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung gehört und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Von der Insolvenzmasse ausgenommen sind die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, wobei u. a. die §§ 850, 850 c ZPO entsprechend gelten (§ 36 Abs. 1 InsO). Unterhaltsberechtigte Personen können daher auf den Differenzbetrag zwischen den Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO und dem dem Schuldner zu belassenden notwendigen Unterhalt nach § 850 d Abs. 1 Satz 2 ZPO zugreifen (OLG Naumburg, OLG-Report 1998, 292 f.; MünchKomm - InsO - Schumann, Rdn. 24 zu § 40; MünchKomm - InsO -Breuer, Rdn. 36 zu § 89; Kübler/Prütting/Holzer, Insolvenzordnung, § 89 Rdz. 8; Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473, 1474, 1477; zur Nutzung der angehobenen Pfändungsfreigrenzen Hauß, MDR 2002, 1163 ff.). Laufende Unterhaltsansprüche können gegen diesen Neuerwerb des Schuldners geltend gemacht werden, da dieser nicht zur Insolvenzmasse gehört. Entsprechend enthält § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Ausnahme vom Vollstreckungsverbot in künftige Forderungen auf Bezüge, wonach die Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs in den Teil der Bezüge, der für andere Gläubiger nicht pfändbar ist, zulässig bleibt (MünchKomm - InsO - Breuer, Rdn 36 zu § 89; Kübler/Prütting/Lüke, Insolvenzordnung, Rdn. 29 zu § 89).
Das Insolvenzverfahren erfasst damit nur die Unterhaltsansprüche für den abgetrennten Zeitraum von Februar bis September 2002, in dem diese bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Ansprüche als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO zu behandeln sind (MünchKomm - InsO - Schumann, Rdn. 16 zu § 40).
Der Beklagte ist nicht in Höhe des erstinstanzlich titulierten Regelbetrages leistungsfähig. Das vom Beklagten aus seiner im März 2002 begonnenen Verkäufertätigkeit in dem von seinem Vater geführten Teppichgeschäft erzielte Monatseinkommen kann jedoch der Unterhaltsberechnung nicht zugrunde gelegt werden. Aus der Verdienstbescheinigung für August 2002 ergibt sich ein Bruttobetrag für 6 Monate von 8.862 EURO bzw. von netto 6.276 EURO. Damit verfügt der Beklagte monatlich über 1.046 EURO. Dieser Verdienst liegt unter dem von seiner geschiedenen zweiten Ehefrau als Reinigungskraft auf der Grundlage von 35 Stunden erzielbaren Einkünfte, obwohl der Beklagte neben seiner Ausbildung zum Bankkaufmann über langjährige Erfahrung im Verkauf von Heimtextilien und Einrichtungsgegenständen verfügt, wie der Senat bereits im Beschluss vom 6. Mai 2002 ausgeführt hat. Gegen den vom Senat in Ansatz gebrachten Verdienst von monatlich 1.800 EURO hat sich der Beklagte im Berufungsverfahren auch nicht gewandt.
Ein höheres Einkommen ist entgegen der Ansicht der Klägerin im Hinblick auf den beruflichen Werdegang des Beklagten, der immer wieder von Misserfolgen begleitet war, nicht zugrunde zu legen. Nach seinem Abitur 1984 absolvierte der Beklagte vom 1. August 1984 bis 18. Juni 1986 eine Lehre zum Bankkaufmann. Daran schloss sich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre an, das der Beklagte jedoch abgebrochen hat, um sodann im Geschäft des Vaters als Teppichverkäufer tätig zu werden. 1997 gründete der Beklagte die Firma S. W., die er Ende 1999 wegen eingetretener hoher Verluste aufgeben musste. Die Ende 1999 gepachtete Gaststätte musste der Beklagte Ende 2000 aufgegeben. Die damalige Ehefrau des Bekla...