Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflichten im Bereich einer Notausgangstür
Leitsatz (amtlich)
Hinter einer auch als Notausgang gekennzeichneten Außentür dürfen sich grundsätzlich keine erheblichen Niveauunterschiede befinden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 15.11.2018; Aktenzeichen 3 O 194/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. November 2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 14. Mai 2018 in der Turnhalle in B. zu ersetzen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gegenüber der Kanzlei Bu., F. ..., ... G., freizustellen, soweit der vorgerichtlichen anwaltlichen Tätigkeit der Höhe nach ein entsprechender Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zugrunde lag.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Unfall.
Die Beklagte ist Eigentümerin und Betreiberin einer an der Straße "A. D." in B. belegenen Sporthalle. Hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse wird auf die folgende Satellitenaufnahme Bezug genommen:
pp.
Ab dem 19. März 2018 ließ die Beklagte im Bereich der Sporthalle Bauarbeiten ausführen. Unter anderem wurde im Rahmen dieser Bauarbeiten das Erdreich unmittelbar hinter dem Notausgang der Sporthalle abgetragen. Hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse in diesem Bereich wird auf die von der Beklagten eingereichte Anlage B 3 (im Anlagenband Beklagte) Bezug genommen.
Die Klägerin hat behauptet, sich am 14. Mai 2018 als Zuschauerin in der Sporthalle aufgehalten zu haben. Zu diesem Zeitpunkt habe dort eine Tanzveranstaltung stattgefunden. Sie habe die Luft in der Sporthalle verbessern und zu diesem Zweck die Tür des Notausganges öffnen wollen. Dabei sei sie in die unmittelbar hinter dem Notausgang im Außenbereich befindliche Baugrube gestürzt und habe sich dabei verletzt. Sie habe unter anderem eine distale Radiusfraktur rechts sowie Zerrungen und Ergüsse im Sprunggelenk rechts erlitten.
Sie hat gemeint, dass der Unfall auf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte beruhe. Diese habe - was zwischen den Parteien unstreitig ist - nicht auf den hinter dem Notausgang befindlichen Erdaushub und die damit verbundene Gefahr hingewiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 14. Mai 2018 in der Turnhalle in B. zu ersetzen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung gegenüber der Kanzlei Bu., F. ..., ... G., freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Unfall werde bestritten. Außerdem treffe die Klägerin ein ganz überwiegendes Mitverschulden. Sie wohne in der Nähe und sei deshalb mit den örtlichen Verhältnissen vertraut. Außerdem hätte sie den Notausgang nicht benutzen dürfen.
Mit Urteil vom 15. November 2018 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin falle nicht in den Schutzbereich der Verkehrssicherungspflicht, weil sie den Notausgang bestimmungswidrig genutzt habe. Darüber hinaus treffe die Klägerin ein ganz überwiegendes Mitverschulden. Sie habe jedenfalls allgemein von dem Vorhandensein einer Baustelle Kenntnis besessen. Deshalb hätte sie diesem Umstand beim Öffnen des Notausganges Rechnung tragen und sich besonders vorsichtig verhalten müssen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Landgericht sei bereits von der unzutreffenden Annahme ausgegangen, dass die Klägerin den Notausgang nicht habe benutzen dürfen. Hiergegen spreche bereits, dass die Tür nicht mit dem Schriftzug "Notausgang" versehen gewesen sei. Auch die Annahme eines ganz überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin sei nicht haltbar. Insbesondere ergebe sich dieses nicht allein aus der Ortskenntnis der Kläger. Dass sie in der Nähe der Turnhalle wohne, bedeute nicht, dass sie auch Kenntnis vom Umfang der jeweiligen Bauphasen besessen habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 15. November 2018, Az. 3 O 194/18
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 14. Mai 2018 in der Turnhalle in B. zu ersetzen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichte...