Leitsatz (amtlich)
1. Die Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 beginnt bei einem Güteverfahren i.S.v. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB nicht bereits mit der Feststellung der Gütestelle vom Scheitern des Verfahrens, sondern erst dann, wenn die Partei davon unterrichtet wird (vgl. BGH v. 20.2.1997 - VII ZR 227/96, BGHZ 134, 387, 390 f. = MDR 1997, 628).
2. Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB ist dahin zu verstehen, dass die kurze Verjährung von drei Jahren nach § 195 BGB erst mit der Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) des Gläubigers von seinen Ansprüchen anläuft.
3. Handelt es sich bei wertender Betrachtungsweise um einen einheitlichen Lebenssachverhalt (hier: Beratung(en) zum Kauf einer Eigentumswohnung) und werden mehrere (hier: 25) Beratungsfehler gerügt, so beginnt die Verjährungsfrist nicht erst mit der Kenntnis vom letzten Beratungsfehler, sondern bereits dann, wenn so viele Beratungsmängel bekannt sind, dass nach Maßgabe der Rechtsprechung die Erhebung einer Klage zumutbar erscheint.
4. Sowohl eine unklare Sach- als auch eine schwierige und ungeklärte Rechtslage können die Erhebung einer Klage als unzumutbar erscheinen lassen.
5. Sofern - auch im Güteverfahren - Schriftform vorgeschrieben ist, wird sie nur durch eine E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur gewahrt (ebenso OVG Rheinland-Pfalz, 10 A 11741/05).
Normenkette
BGB §§ 126a, § 199 ff., § 204
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 09.06.2006; Aktenzeichen 13 O 305/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 9.6.2006 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen eine Vollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des 1,2-fachen vom vollstreckbaren Betrag abwenden, wenn und soweit die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,2-fachen vom zu vollstreckenden Betrag leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren die Rückabwicklung eines im März 1997 geschlossenen Kaufvertrages über eine in E. belegene Eigentumswohnung.
Die Beklagte erwarb Ende der 80er Jahre aus dem Bestand der in Konkurs gefallenen Neuen Heimat etwa achttausend Wohnungen. Mit deren Vertrieb beauftragte sie die H. u. B. GmbH aus D., die ihrerseits weitere Vertriebspartner einsetzte. Finanzierungspartner war die B. Bausparkasse AG mit Sitz in K.
Über die Wohnungen in E. gab die Beklagte einen Prospekt heraus, der auf S. 16 auch auf die Immobilien H. u. B. GmbH (IHB) als Vertriebspartner hinwies (K 16 Anlagenband - künftig: AB -). Dieser enthielt Aussagen zum voraussichtlichen Wertzuwachs der Immobilien (Seite 10 und 18), zum Kaufkraft- und Inflationsschutz, zu Steuervorteilen, zur Rendite der Anlage und zur Schließung einer Versorgungslücke im Alter durch die Anschaffung einer Immobilie. Im Prospekt befand sich ferner auf S. 20 ein Berechnungsbogen über die Ermittlung der Investitionskosten (I.), deren Finanzierung (II.) und über die Wirtschaftlichkeit der Investition nach Einnahmen (einschließlich Einkommenssteuervorteilen) und Ausgaben - bezogen auf das erste volle Vermietungsjahr - sowie Hinweise auf Risiken und Chancen (S. 18, 19).
Ende Februar/Anfang März 1997 kam es zu Gesprächen zwischen den Klägern und einem Außendienstmitarbeiter. Dabei wurden die Kläger auf die Möglichkeit zum vollfinanzierten Erwerb einer Wohnung der Beklagten in E. nach dem sog. "Dortmunder Modell" hingewiesen. Es sieht die volle Finanzierung auch der mit dem Erwerb entstehenden Nebenkosten durch ein verzinsliches aber tilgungsfreies Vorausdarlehen (hier: 197.000 DM) vor. Daneben ist ein erster Bausparvertrag i.H.v. etwa der hälftigen Vorausdarlehenssumme anzusparen (hier 99.000 DM), der nach etwa 12 Jahren zuteilungsreif werden soll. Dieser wird mit der Zuteilung zur Tilgung der ersten Hälfte des Vorausdarlehens verwendet, dessen Restschuld (hier: 98.000 DM) weiterhin verzinslich und tilgungsfrei ist. Das verzinsliche Bauspardarlehen ist zurückzuzahlen. Mit der Zuteilung des ersten Bausparvertrages nach etwa 12 Jahren ist ein zweiter in Höhe der Vorausdarlehensrestschuld anzusparen (hier 98.000 DM), der mit Zuteilungsreife der Bausparsumme zur vollständigen Tilgung der Restschuld verwendet und dessen verzinslicher Darlehensanteil sodann zurückgezahlt werden sollte.
Tatsächlich wurde die Finanzierung auch in dieser Weise durchgeführt.
Den Klägern wurde die als Anlage K 12 vorgelegte Beispielrechnung über Erwerb und Finanzierung der später gekauften Wohnung Nr. 10 überreicht. Danach haben sie ab dem auf dem Erwerbsjahr folgenden Jahr jährlich einen nicht durch Mieteinnahmen und Steuervorteile - im Wesentlichen aus Darlehenszinsen bestehenden - ungedeckten Aufwand von 184 DM monatlich (2.112 DM jährliche Kosten, K 12 S. 2 AB I).
Ferner wurde den Klägern ein Besuchsbericht vorgelegt, der die Wirtschaftlichkeit der Investition - anders als die Beispielrechnung - ohne die mon...