Leitsatz (amtlich)
Mit der Bestimmung des § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG hat der Gesetzgeber ein Regel-/Ausnahmeprinzip geschaffen. Ein berechtigtes Sicherungsinteresse i.S.v. § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG liegt regelmäßig nur dann vor, wenn die Interessen der Beteiligten bei einer Abwicklung im Wege der Direktzahlungsmethode nicht wenigstens ebenso gut gewahrt werden können. Das Vorliegen eines berechtigten Sicherungsinteresses ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Allein der Wunsch der Beteiligten, Zahlungen über ein Anderkonto abzuwickeln, ist nicht ausreichend.
Normenkette
BeurkG § 54a Abs. 2 Nr. 1
Tenor
Die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 6.8.2010 und der die Verfügung bestätigende Widerspruchsbescheid des Präsidenten des OLG Oldenburg vom 27.9.2010 werden im Hinblick auf die Höhe der gegen den Kläger verhängten Maßnahme abgeändert.
Gegen den Kläger wird wegen schuldhafter Verletzung seiner Amtspflichten in Form eines Verstoßes gegen § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG in vier Fällen ein Verweis verhängt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Gerichtskosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung, mit der der Beklagte gegen den Kläger eine Geldbuße i.H.v. 1.000 EUR verhängt hat.
Der am ... 1948 geborene Kläger legte am 27.8.1974 die erste juristische Staatsprüfung mit der Note ausreichend ab. Am 4.11.1977 absolvierte er die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note vollbefriedigend. Mit Urkunde vom 13.2.1978 wurde er als Rechtsanwalt bei dem AG Jever und dem LG Oldenburg zugelassen. Durch Urkunde des Präsidenten des OLG Oldenburg vom 22.2.1991 wurde er zum Notar bestellt.
Der Kläger ist mit Dr. M.S., Dr. J.B. und mit seinem Sohn Dr. H.H. beruflich in einer Bürogemeinschaft verbunden.
Die Urkundenrolle des Notars weist für den Zeitraum 2005 bis 4.3.2009 folgende Zahlen aus (Bl. 9 d.A. H 451 - SA 1):
2005: |
309 Beurkundungen |
2006: |
308 Beurkundungen |
2007: |
421 Beurkundungen |
2008: |
319 Beurkundungen |
2009: |
54 Beurkundungen |
Dass Massenbuch weist für den o.g. Zeitraum folgende Verwahrungsgeschäfte aus (Bl. 11 d.A. H 451 - SA 1):
2005: |
21 Massen |
2006: |
21 Massen |
2007: |
36 Massen |
2008: |
32 Massen |
2009: |
5 Massen |
Der Kläger ist bislang weder disziplinarrechtlich noch strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Am 6.3.2009 prüfte Richterin am LG ... im Auftrag des Präsidenten des LG Oldenburg die notarielle Amtsführung des Klägers. In ihrem Prüfbericht vom selben Tag führte sie im Hinblick auf fünf von ihr geprüfte Verwahrungsgeschäfte u.a. aus, dass insoweit das Vorliegen eines berechtigten Sicherungsinteresses i.S.v. § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG nicht erkennbar sei. Im Grundstückskaufvertrag zur UR-Nr. 87/06 finde sich lediglich der Vermerk, dass die Parteien sich nach ausführlichem Hinweis des Notars für die Zahlung des Kaufpreises auf ein vom Notar zu benennendes Notaranderkonto entschieden hätten. In den weiteren Urkunden sei darüber hinaus der Vermerk enthalten, dass der Veräußerer nicht zu einer Belastung seines Grundstücks mit Grundpfandrechten des Erwerbers bereit sei.
Mit Verfügung vom 13.8.2009 leitete der Präsident des LG Oldenburg daraufhin gegen den Kläger disziplinarrechtliche Vorermittlungen ein und begründete dies damit, dass im Rahmen der Geschäftsprüfung eine grundsätzliche Abwicklung von Grundstückskaufverträgen über Anderkonto festgestellt worden sei. Bei keiner der stichprobenartig geprüften vier Massen sei aber ein berechtigtes Sicherungsinteresse erkennbar gewesen. Dies begründe den Verdacht eines schuldhaften Dienstvergehens in der Form eines Verstoßes gegen § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG (Bl. 2 - 3 d.A. H 451 - SA 1).
Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 14.10.2009 (Bl. 36 - 52 d.A. H 451 - SA 1) trat der Kläger dieser Auffassung entgegen. Es erfolge keine grundsätzliche Abwicklung über Anderkonto. Vielmehr seien z.B. im Jahr 2005 von insgesamt 35 Grundstückskaufverträgen nur 21 über Notaranderkonto abgewickelt worden. Darüber hinaus stelle die Abwicklung über Notaranderkonten eine Entscheidung dar, die der sachlichen Unabhängigkeit des Notars unterfalle. Weiter sei der Begriff des berechtigten Sicherungsinteresses auch nicht eindeutig definiert und lasse Raum für unterschiedliche Interpretationen. Darüber hinaus seien bei der Abwicklung im Wege der Direktzahlungsmethode auch zusätzliche Risiken zu berücksichtigen. So werde dem Veräußerer in der Regel zugemutet, bereits vor Kaufpreiszahlung eine Belastung seines Grundstücks mit einer Grundschuld hinzunehmen. Dies in Verbindung mit der Auflassungsvormerkung bedeute eine erhebliche Wertminderung des Grundstücks. Sei der Veräußerer hierzu nicht bereit, bestehe ein objektives Sicherungsunteresse, das die Abwicklung über Notaranderkonto gestatte. Bei einem Notaranderkonto könne demgegenüber a...