Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen verzögerter Vergabe, neue Vertragsfristen im Zuschlagsschreiben
Leitsatz (amtlich)
Enthält das Zuschlagsschreiben des öffentlichen Auftraggebers nach verzögerter Vergabe neue Fertigstellungsfristen, handelt es sich um eine modifizierte Annahme des Bietergebotes und damit unter Ablehnung des ursprünglichen Angebotes um ein neues Angebot i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB.
In einem solchen Fall ist es Sache des Bieters, auf während der verlängerten Zuschlagsfrist eingetretene Preiserhöhungen hinzuweisen und ggf. durch erneute Ablehnung des neuen Angebotes einen neuen Preis zu verlangen.
Versäumt der Bieter dies, kann der öffentliche Auftraggeber davon ausgehen, dass der Bieter trotz der eingetretenen Preiserhöhungen auskömmlich kalkuliert hatte, und ist nicht verpflichtet, sich nach Ablauf der Annahmefrist gem. § 147 BGB auf einen geänderten Preis einzulassen.
Normenkette
VOB/B § 2 Nr. 5; BGB §§ 147, 150
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 11 O 397/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.2.2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Hannover teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 288.262,54 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 52 %, die Beklagte zu 48 %.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 48 %, die Beklagte zu 52 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht einen Anspruch auf - streitige - Mehrkosten geltend, die ihr nach ihrem Vorbringen durch die verzögerte Erteilung des Zuschlages bei einem öffentlichen Bauvorhaben entstanden sind.
Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhaltes wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen auf das Urteil des LG Hannover vom 20.2.2008 (Bl. 246 ff. d.A.). Ergänzend bzw. vertiefend gilt:
Das Ursprungsangebot der Firma B. vom 22.1.2003 (K 29) war "freibleibend", das Angebot der Firma A. vom 24.1.2003 (K 30) enthielt folgende Formulierungen:
"Unter Zugrundelegung unserer Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen bieten wir Ihnen freibleibend an ..."
sodann hieß es unter dem Begriff "Preisgültigkeit":
"Dieses Angebot besitzt Gültigkeit bis zum 31.12.2003."
Mit Schreiben vom 29.8.2003 hatte die Klägerin der letzten Bitte um Zuschlagsfristverlängerung bis zum 17.11.2003 zugestimmt und ggü. dem Straßenbauamt V. erklärt, sie bestätige "gleichzeitig, dass wir uns bis zum vorgenannten Datum an unser Angebot halten" (K 6).
Das Zuschlagsschreiben der Beklagten vom 10.11.2003 (K 7) enthält unter Ziff. 5. den Hinweis: "Wie bereits besprochen, sind beide Bauabschnitte (1a) und b) und 2) im Jahr 2004 durchzuführen. Die Bezahlung des Bauabschnitts 2 findet entsprechend Ihrem Nebenangebot Nr. 3 im Januar 2005 statt."
Die Auftragserteilung an die Klägerin erstreckte sich auch auf deren Nebenangebote Nr. 2, 3, 4, 5 und 6, wobei insbesondere das Nebenangebot Nr. 3 der Klägerin das Angebot auf Bauausführung innerhalb eines Kalenderjahres sowie das Nebenangebot Nr. 4 die Verschiebung der Bauausführung des zweiten Bauabschnitts in direktem Anschluss an die Abschnitte 1a) und b) enthielten sowie die Nebenangebote Nr. 5 und 6 weitere Angebote auf Bauzeitverkürzungen der Bauabschnitte 1a) und 1b).
Das LG hat zu der Frage, ob mit der Firma H. (früher A.) im Dezember 2003 noch ein Vertragsschluss auf der Grundlage des ursprünglichen Angebots vom 24.1.2003 möglich gewesen sei, Beweis erhoben. Es hat hierzu den Mitarbeiter der Klägerin Me. sowie den Mitarbeiter der Firma H. Wi. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bl. 234 ff. verwiesen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG der Klage überwiegend (zu ca. 2/3) stattgegeben. Es hat dabei offen gelassen, ob der Mehrkostenanspruch eines Bieters sich aus einer analogen Anwendung des § 2 Nr. 5 VOB/B, der Heranziehung des Rechtsgedankens dieser Vorschrift oder aus einer ergänzenden Auslegung der vertraglichen Erklärungen ergibt.
Hilfsweise hat das LG die Auffassung vertreten, ein etwaiges neues Angebot der Beklagten durch das Zuschlagsschreiben habe die Klägerin jedenfalls nicht durch ihr Bestätigungsschreiben vom 24.11.2003 angenommen, da in diesem Schreiben nur der rein tatsächliche Empfang des Zuschlagsschreibens bestätigt worden sei. Bis zu dem Schreiben der Klägerin vom 21.4.2004, mit dem sie Meh...