Leitsatz (amtlich)

1. Der Mehrvergütungsanspruch nach verzögerter Vergabe erstreckt sich nicht nur auf die bis zur Zuschlagerteilung eingetretenen Preiserhöhungen, sondern auf diejenigen Preissteigerungen, die sich durch die infolge der verzögerten Vergabe tatsächlich eingetretene Bauzeitverschiebung ergeben.

2. Der Mehrvergütungsanspruch ist in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B anzupassen. Dabei ist der neue Preis anhand der Urkalkulation des Unternehmers unter Berücksichtigung der preiserhöhenden Faktoren sowie unter Beibehaltung der bisherigen Parameter der Preisermittlung zu bestimmen.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 20.02.2008; Aktenzeichen 11 O 397/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.2.2008 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Hannover teilweise geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 558.063,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.11.2005 zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 8 %, die Beklagte zu 92 %.

Die Kosten beider Berufungs- und des Revisionsverfahren trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Mehrkosten wegen erhöhter Zementpreise, die ihr durch eine sich aus einem verzögerten Vergabeverfahren ergebende Bauzeitverschiebung entstanden seien.

Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das angefochtene Urteil des LG (Bl. 246 ff. d.A. Bd. II), das Urteil des Senats vom 17.6.2009 (Bl. 497 ff. d.A. Bd. III) und das Urteil des BGH vom 22.7.2010 (Bl. 95 ff. d.A. Bd. IV) Bezug genommen.

In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH u.a. ausgeführt, der Klägerin stehe wegen der durch das verzögerte Vergabeverfahren bedingten Änderung der Bauzeit ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung zu, der in Anlehnung an die Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B zu ermitteln sei (Rz. 32).

Die Klägerin macht nach wie vor geltend, im Fall der fristgerechten Vergabe hätte sie einen Anspruch auf Wertung ihres Nebenangebots 3 gehabt, infolge dessen auch der Bauabschnitt 2 bereits im Jahr 2003 hätte durchgeführt werden können. Durch die Bauzeitverschiebung habe sie den Zement nicht mehr zu den ihr ursprünglich von der Fa. H. angebotenen und ihrem eigenen Angebot gegenüber der Beklagten zugrunde gelegten Preisen beziehen können. Bei Fortschreibung der Urkalkulation ergebe sich unter Berücksichtigung der neuen Angebotspreise im Jahr 2004, die im Übrigen mit den in Rechnung gestellten Preisen identisch seien, die nunmehr noch geltend gemachte Nachforderung.

Die Parteien verfolgen ihre im ersten Berufungsverfahren vor dem Senat gestellten Anträge auch weiterhin (vergleiche hierzu Sitzungsniederschrift vom 3.5.2011, Bl. 201 d.A. Bd. IV).

Die Beklagte meint, für den 2. Bauabschnitt stehe der Klägerin ohnehin kein Mehrvergütungsanspruch zu. Dieser Bauabschnitt sei von vornherein 2004 auszuführen gewesen. Das Nebenangebot 3 der Klägerin dürfe im Hinblick auf § 124 GWB jedenfalls nicht berücksichtigt werden. Für 2004 habe auch die Fa. H. kein verbindliches Angebot abgegeben gehabt.

Die von der Klägerin behaupteten Rechnungsbeträge der Fa. H. für den an die Klägerin gelieferten Zement bestreitet die Beklagte mit Nichtwissen. Etwaiges neues Vorbringen der Klägerin hierzu rügt sie vorsorglich als verspätet. Sie weist ferner darauf hin, die Klägerin habe der Rechnungsprüfung vom 15.9.2009 nicht widersprochen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die Berufung der Klägerin hat Erfolg, die der Beklagten ist hingegen unbegründet.

Der (nur noch) verfolgte Mehrvergütungsanspruch der Klägerin wegen erhöhter Zementkosten, die ihr durch die wegen der verzögerten Vergabe verschobene Bauzeit entstanden sind, erweist sich als erfolgreich. Unter Anwendung der Grundsätze des § 2 Nr. 5 VOB/B errechnet sich ein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten von 558.063,68 EUR.

1. Der Klägerin steht ein Mehrvergütungsanspruch für beide Bauabschnitte zu.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 22.7.2010 für den vorliegenden Fall ausgeführt, die Beklagte habe durch ihr Zuschlagsschreiben vom 10.11.2003 das Angebot der Klägerin vom 29.11.2003 auch zur Bauzeit unverändert angenommen (Rz. 20 ff., insb. 30). Der Abschluss eines Vertrages zu Bedingungen, die eine zum Zeitpunkt des Zustandekommens bereits abgelaufene Bauzeit vorsehen, enthalte eine Einigung darüber, dass die Parteien den Vertrag bereits bindend abschließen, über neue, dem eingetreten...

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