Leitsatz (amtlich)
1. In einer Transportversicherung ist, auch wenn jegliche Verluste und/oder Schäden gleichviel aus welcher Ursache einschließlich der Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch den Versicherungsnehmer versichert sind, eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf den Verlust von Bargeld unter Ausschluss von Buchgeld vorzunehmen, wenn sich dies aus den sonstigen Bestimmungen des Versicherungsvertrages, insbesondere zum Gegenstand, zur Dauer und zur Prämienkalkulation ergibt.
2. Mangels stofflichen Zugriffs fehlt es mithin an einem Versicherungsfall des Verlustes von Bargeld, wenn das Werttransportunternehmen bei verschiedenen Kunden abgeholtes Bargeld in sog. Cash-Centern sammelt, bundesbankfertig macht und es dann mit Wissen des Kunden auf ein eigenes Konto des Werttransportunternehmens bei der Bundesbank einzahlt, wo es anschließend unzulässigerweise im Wege eines "Schneeballsystems" zur Deckung von Verbindlichkeiten aus früheren Geldtransporten gegenüber anderen Kunden benutzt wird.
3. Der Versicherer ist berechtigt, einen Vertrag über eine Transportversicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn das Werttransportunternehmen anlässlich des Neuabschlusses eines Vertrages keine Angaben zu dem seit Jahren betriebenen Schneeballsystem und der entstandenen Liquiditätslücke macht. Diese Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann grundsätzlich auch den Kunden des Werttransportunternehmens entgegengehalten werden, selbst wenn diese die Rechtsstellung eines Versicherten nach §§ 74 ff. VVG a.F. haben. Auch aus einer Versicherungsbestätigung des Versicherers ggü. dem Kunden des Werttransportunternehmens können in der Regel keine weitergehenden Ansprüche hergeleitet werden.
Normenkette
VVG § 22 a.F., § 74 ff.; BGB § 123
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 22.11.2007; Aktenzeichen 8 O 281/06) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.11.2007 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens aus einem Versicherungsvertrag der H.-Gruppe mit der Beklagten im Zusammenhang mit von H. durchgeführten Geldtransporten in Anspruch.
Die Klägerin schloss mit der H. Transport GmbH am 21.11.1994 einen Geldver- und Entsorgungsvertrag (Anlage K 1). Gemäß § 1 Ziff. 2 des Vertrages haftet der Auftragnehmer dem Auftraggeber für Verlust, Vernichtung oder Beschädigung der ihm zur Beförderung übergebenen Gegenstände im Rahmen der bestehenden Versicherung. Nach § 5 Ziff. 1 tritt der Auftragnehmer alle gegenwärtigen und künftigen, mit diesem Vertrag zusammenhängenden Versicherungsansprüche an den Auftraggeber ab.
Ferner schloss die Klägerin mit der ebenfalls zur H.-Gruppe zählenden N ... GmbH am 21.11.1994 einen weiteren Vertrag, der u.a. die Auszählung von Tageseinnahmen und die Einzahlung des gezählten und bearbeiteten Geldes bei einem Geldinstitut nach Wahl der Klägerin vorsieht (Anlage K 2). In § 4 des Vertrages heißt es u.a.:
"Nach Beendigung des Zählvorgangs werden die Geldnoten gemäß den Richtlinien der Deutschen Bundesbank aufbereitet. Das Gesamtvolumen des ausgezählten Geldes wird auf das Konto des Auftraggebers eingezahlt."
Die tatsächliche Abwicklung gestaltete sich derart, dass von H. die Tageseinnahmen der verschiedenen Filialen der Klägerin eingesammelt und in sog. Cash-Center der H.-Gruppe gebracht wurden, wo das Geld zur Einzahlung bei der Bundesbank vorbereitet wurde. Anschließend sollten Einzahlungen bei den jeweiligen Filialen der Bundesbank erfolgen.
Die H. T. GmbH sowie die N. GmbH und weitere Unternehmen der H.-Gruppe unterhielten bei der Beklagten zunächst eine sog. Transportversicherung zur Policen-Nr. ..., die sich jeweils jährlich verlängerte (Anlage K 59).
Mit Schreiben vom 26.11.2001 bestätigte der Versicherungsmakler, die M. GmbH, der Klägerin die Inkraftsetzung eines Valoren-Versicherungsvertrages Nr. ... zum 1.12.2001 (Bl. 766 f. d.A.). In diesem Vertrag sind weitere Unternehmen der H.-Gruppe als Versicherungsnehmer aufgeführt, u.a. die F. D. GmbH (Anlage K 4). Ausweislich der Zeichnungsliste ist die Beklagte an diesem Vertrag als führender Versicherer mit 62,5 % beteiligt (Anlage K 5). In dem Vertrag heißt es zum "Gegenstand der Versicherung" (Anl. K 4):
"Hartgeld, Banknoten, Schecks, Wertpapiere, Briefmarken, sämtliche Edelmetalle ..., Schmuck, handelsübliches Beleggut, Datenträger bzw. Belege und sonstige Wertgegenstände sowie Behältnisse wie Kassetten, Taschen usw. im Gewahrsam von H. sowie im Gewahrsam von von H. eingesetzten Subunternehmen, einerlei, ob die Sache Eigentum ...