Leitsatz (amtlich)

Maßnahmen, die dem Anlocken von Kunden dienen, sind wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG, wenn sie mit einer Belästigung des Kunden verbunden sind, die nach den Anschauungen des durchschnittlichen, verständigen Verkehrsteilnehmers das noch tragbare Maß überschreiten. Hierzu zählt das unaufgeforderte Ansprechen von Kunden vor dem Geschäft eines Mitbewerbers jedenfalls dann, wenn damit nach den Umständen des Falles eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Kunden verbunden ist.

 

Normenkette

UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 7 O 394/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Verden vom 1.10.2002 geändert. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, potenzielle Kunden der Verfügungsklägerin in die Geschäftsräume der Verfügungsbeklagten zu locken, indem die Inhaberin oder die Angestellten der Verfügungsbeklagten Kunden, die über die Straße auf die Schilderläden der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten zugehen, gezielt auf der Straße ansprechen und/oder von der Straße in den Schilderladen der Verfügungsbeklagten hereinwinken.

Der Verfügungsbeklagten wird für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren, angedroht.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Unternehmen der Schilderprägebranche. Ihre Geschäfte befinden sich unmittelbar nebeneinander in der … in …. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) hat geltend gemacht, die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) winke Kunden, die von der nahe gelegenen Zulassungsstelle zu den Geschäften herüberkamen, zu ihrem Geschäft und spreche sie dahin an, dass es bei ihr Kfz-Nummernschilder zu erwerben gebe. Die Klägerin hat gemeint, hierbei handele es sich um ein wettbewerbswidriges Abfangen von Kunden. Sie hat die Beklagte im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Unterlassungsbegehren weiter. Sie hat zuletzt beantragt, der Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, potenzielle Kunden der Klägerin in die Geschäftsräume der Beklagten zu locken, indem die Beklagte oder ihre Angestellten Kunden, die über die Straße auf die Schilderläden der Parteien zugehen, gezielt auf der Straße ansprechen und/oder von der Straße in den Schilderladen der Beklagten hereinwinken.

II. Die Berufung ist begründet. Die beantragte einstweilige Verfügung ist zu erlassen.

1. Der geltend gemachte Verfügungsanspruch steht der Klägerin zu.

a) Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG.

Maßnahmen, die dem Anlocken von Kunden dienen, sind wettbewerbswidrig gem. § 1 UWG, wenn sie mit einer Belästigung des Kunden verbunden sind, die nach den Anschauungen des durchschnittlichen, verständigen Verkehrsteilnehmers das noch tragbare Maß überschreiten. Hierzu zählt das unaufgeforderte Ansprechen von Kunden vor dem Geschäft eines Mitbewerbers jedenfalls dann, wenn damit nach den Umständen des Falles eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Kunden verbunden ist (vgl. BGH, GRUR 1960, 431 – Kraftfahrzeugnummerschilder; Baumbach/Hefermehl, 21. Aufl., § 1 UWG Rz. 214; Köhler/Piper, 3. Aufl., § 1 UWG Rz. 109, 391 f.). So ist es hier:

Die Beklagte hat zum Zweck des Anwerbens von Kunden Personen, die von der Zulassungsstelle auf die Geschäftslokale der Parteien zugehen und sich noch nicht entschieden haben, welchen der Läden sie betreten sollen, herangewinkt und dahin angesprochen, sie sollten in ihr Geschäft kommen. Diesen von der Klägerin dargelegten und durch eidesstattliche Versicherungen ihrer Angestellten glaubhaft gemachten Sachverhalt hat die Beklagte in erster Instanz nur dahin bestritten, sie habe die Kunden nie von der Straße aus angesprochen. Im Übrigen hat die Beklagte in der Klageerwiderung ausdrücklich eingeräumt, dass sie (von ihrem Laden aus) Personen darauf aufmerksam gemacht habe, dass es in ihrem Geschäft Kfz-Kennzeichen zu erwerben gebe, und dass sie „bei ihr richtig seien”. In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, dass sie von ihrem Geschäft aus Kunden hereinwinke, weil Viele irritiert seien, dass zwei Geschäfte, die Kfz-Schilder vertrieben, nebeneinander lägen, und weil die Kunden daher nicht wüssten, welches Geschäft sie aufsuchen sollten; insoweit sei es richtig, dass sie aus ihrem Laden heraus Kunden angesprochen habe. Bei dieser Sachlage hält der Senat das Berufungsvorbringen der Beklagten für nicht überzeugend, sie habe niemanden angesprochen oder von sich aus in ihr Geschäft hereingerufen, vielmehr habe sie nur dann durch Gesten auf ihr Angebot hingewiesen, wenn Kunden „Blickkontakt aufgenommen” hätten. Die von der Beklagt...

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