Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Wirkung eines Anerkenntnis bei teilweiser Berufung mit ausdrücklichem Vorbehalt der Berufungserweiterung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht eine Anerkenntniserklärung bei Gericht ein, bevor einer Berufungserweiterung beantragt worden ist, so ist der Streitgegenstand der weiteren Befassung durch den Senat vollständig entzogen und der Senat gemäß § 307 S. 1 ZPO gesetzlich verpflichtet, ein Anerkenntnisurteil zu erlassen. Eine zeitlich danach eingegangene Berufungserweiterung geht ins Leere.

2. Durch eine nur teilweise Berufungseinlegung wird nicht das gesamte landgerichtliche Urteil einschließlich aller vormals geltend gemachten Ansprüche zur Überprüfung gestellt, sondern nur der von der Klägerin benannte Teil.

3. Bei der auf eine Teilanfechtung gestützten und unter den ausdrücklichen Vorbehalt der Erweiterung gestellten Berufung verbleibt nach dem Anerkenntnis (auf den zu dem Zeitpunkt allein vorliegenden Antrag zur Abänderung des angefochtenen Urteils erster Instanz) kein eigenständiger Streitgegenstand, der noch erweitert werden könnte.

4. Aus dem Umstand, dass die Rechtskraft des Urteils infolge der Teilanfechtung gemäß § 705 S. 1 ZPO insgesamt gehemmt ist folgt nicht, dass damit das gesamte Urteil zur Disposition des Senats steht.

5. Bis zum Eingang eines die Berufung erweiternden Schriftsatzes ist der Senat nicht berufen, über eine nur angekündigte, ausdrücklich nur vorbehaltene Erweiterung zu entscheiden. Ein Antrag, der noch nicht vorliegt, gestaltet kein Prozessrechtsverhältnis.

 

Normenkette

ZPO §§ 307-308

 

Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 5 O 258/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.02.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade - 5 O 258/17 - abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 20.759,49 EUR zu zahlen.

Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 93 % und die Beklagten zu 7 % als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 20.759,49 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 16.09.2015 gegen 7:44 Uhr auf einem Bahnübergang in Buxtehude ereignet hat, und an dem ein Zugverband der Klägerin, bestehend aus einem führenden Doppelstocksteuerwagen, mehreren Doppelstockmittelwagen sowie einem Triebfahrzeug mit der internen Zugnummer ... sowie ein Gelenkbus der Beklagten zu 3) mit dem amtlichen Kennzeichen ..., das zum Unfallzeitpunkt von der Beklagten zu 2) geführt wurde, beteiligt waren.

Die Klägerin ist ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, das in eigenem Namen und für eigene Rechnung Personennahverkehrsleistungen auf Eisenbahnstrecken in Niedersachsen, Hamburg und Bremen erbringt. Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 3) bieten Omnibusdienstleistungen in Niedersachsen an. Die Beklagte zu 3) betreibt unter anderem die Linie 2013 zwischen Buxtehude und Hedendorf und ist Eigentümerin des verunfallten Gelenkbusses. Die Beklagte zu 2) war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 3) als Busfahrerin angestellt. Am Morgen des Unfalltages übernahm die Beklagte zu 2) die Linienfahrt 2103 von Hedendorf nach Buxtehude, im Bus befanden sich vor dem Unfall 60 Schüler. Die als sog. "Springerin" eingeteilte Beklagte war die Strecke zuvor noch nie gefahren. Aufgrund von Bauarbeiten war die Streckenführung zudem geändert worden.

Die Beklagte zu 2) fuhr auf der Mühlenkampstraße in nördliche Richtung bis zum Bahnübergang Mühlenkampstraße/Am Mühlenbach, hinter dem sie scharf nach rechts in die Straße "Am Mühlenbach" abbiegen musste. Die Straßenführung ist dort eng und zudem spitzwinkelig. Der Beklagten zu 2) gelang es auch nach mindestens zweimaligem Zurücksetzen nicht, mit dem Bus die Kurve zu durchfahren. Beim Rangieren geriet das Fahrzeug in eine Winkelstellung, die den sogenannten "Gelenkschutz" aktivierte und verhinderte, dass die Beklagte zu 2) in der eingeschlagenen Lenkrichtung weiterfahren konnte. Der Beklagten zu 2) gelang es nicht, die Gelenksperre zu deaktivieren. Während der gesamten Zeit des Rangierens befand sich der Bus mit dem Heck auf den Gleisen des Bahnübergangs. Die Beklagte zu 2) nahm telefonischen Kontakt zu dem Betriebsleiter auf und bat ihn, die Bahngesellschaft zu informieren.

Etwa drei Minuten, nachdem der Bus auf den Gleisen zum Stehen gekommen war, näherte sich der unfallgegnerische Zugverband der Klägerin. Die Beklagte zu 2) öffnete die Türen und ließ die Schüler aussteigen. 20 Sekunden später prallte der Doppelstockwagen des Zuges in das Heck des Gelenkbusses.

Durch die Kollision wurden der führende Doppelstockwagen und der nachfolgende Doppelstockmittelwagen beschädigt. Insgesamt macht die Klägerin einen Schaden in Höhe von 691.702,09 EUR geltend. Wegen der einzelnen von der Klägerin beziffer...

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