Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 3 O 248/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. September 2018 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade ≪3 O 248/17 ≫ unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 7.693,16 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 18. Juli 2017 zu zahlen und ihn - den Kläger - von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR freizuhalten.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) haben der Kläger 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 80 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.616,45 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(§§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO):

I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Das angefochtene Urteil, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, überzeugt nicht. Nach persönlicher Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) gemäß § 141 ZPO in der mündlichen Verhandlung am 30. April 2019 in Verbindung mit der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme erachtet der Senat eine Haftungsquote von 80 % zu 20 % zulasten der Beklagten für angemessen. Die Beklagten haften für das Unfallgeschehen am 1. Mai 2017 gegen 13.40 Uhr auf der dreispurigen BAB 1 Fahrtrichtung H. in Höhe H. gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 115 VVG, §§ 249, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 288 Abs. 1, 421 BGB und sind verpflichtet, an den Kläger 7.693,16 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 18. Juli 2017 zu zahlen sowie ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 EUR freizuhalten. Die weitergehende Klage und die Berufung im Übrigen sind unbegründet und waren abzuweisen bzw. zurückzuweisen.

Den Beklagten zu 1) trifft ein Verschulden für die Kollision des Klägers mit der Leitplanke gemäß § 7 Abs. 5 StVO (im Folgenden Ziffer 1.), das Unfallgeschehen war für den Kläger nicht unvermeidbar (im Folgenden Ziffer 2.) und eine Mithaftung des Klägers aus Betriebsgefahr erscheint geboten (im Folgenden Ziffer 3.).

1. Haftung der Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 115 VVG

Unstreitig hat der Beklagten zu 1) einen (halben) Spurwechsel nach links aus einer Geschwindigkeit von ca. 110 km/h heraus vorgenommen, wobei sich der Kläger für ihn erkennbar von hinten auf der linken Spur mit einer höheren Geschwindigkeit genähert hat, die der Kläger mit 140 - 160 km/h und der Zeuge S. mit 130 - 140 km/h angegeben haben. Der Beklagte zu 1) ist so weit auf die linke Spur gefahren, dass der Kläger unstreitig seinerseits bremsen und nach links ausweichen musste. Die Beklagten haben sich in ihrer Klageerwiderung vom 13. Februar 2018 auf Seite 2 (Bl. 39 d. A.) unten das Vorbringen des Klägers, der Beklagte zu 1) sei "halb" auf die linke Spur gefahren, ausdrücklich zu eigen gemacht. Beim Wechsel auf die Überholspur einer Autobahn ist grundsätzlich von der Alleinhaftung des Spurwechslers auszugehen, weil er das Vorrecht des anderen Verkehrsteilnehmers aus § 18 Abs. 3 StVO verletzt [Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 14. Auflage, Rn. 147 und 148 m. w. N.]. Der Beklagte zu 1) musste die Gefährdung des Klägers ausschließen (§ 7 Abs. 5 StVO), was ihm nicht gelungen ist. Unter diesen Umständen ist die Argumentation der Einzelrichterin, der Beklagte zu 1) habe sich wie ein Idealfahrer verhalten, nicht nachvollziehbar.

Etwas Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Beklagte zu 1) erwiesenermaßen aufgrund eines Spurwechsels seitens eines zunächst rechts neben oder knapp vor ihm herfahrenden Lkw ein Ausweichmanöver aus Schrecken oder Fehlreaktion vorgenommen hätte. Derartige Reaktionen sind nicht vorwerfbar [vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, Bearbeiter König zu Einleitung Rn. 86 und 144]. Der Beklagte zu 1) schildert jedoch ein bewusstes und kontrolliertes Ausweichen seinerseits nach links, weil eine Bremsung nicht ausreichte und er nicht mit dem Lkw kollidieren wollte. Damit hat er eine Gefährdung des Klägers, den er auf der linken Spur gesehen hatte, - in der Hoffnung, dass dieser ebenfalls reagiere - in Kauf genommen. Das war bei einer Geschwindigkeit von über 110 km/h ein gewagtes Unterfangen, zumal der Beklagte zu 1) davon ausgehen musste, dass der Kläger schneller fahren würde als er selbst. Der Beklagte zu 1) hat erklärt, der Kläger sei zwar eindeutig hinter ihm gewesen, aber nicht viel. Er - der Beklagte zu 1) habe nach links gesteuert und weiter gebremst. Demzufolge ist es nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) den Kläger bei dessen adäquater Reaktion nicht gefährdet hätte. Im Gegenteil hat der Beklagte zu 1) für den Kläger in zweifac...

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