Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an den schlüssigen Vortrag und das erhebliche Bestreiten einer Anlageberatungspflichtverletzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ebenso, wie dem Beratungsunternehmen im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, ist auch dem Anleger ein Vortrag "ins Blaue hinein" nicht gestattet.

2. Auch wenn es sich bei der Aufklärungspflichtverletzung durch Unterlassen um eine negative Tatsache handelt, setzt die entsprechende Behauptung des Anlegers voraus, dass ihm zumindest konkrete tatsächliche Anhaltspunkte gegenwärtig sind, die im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit für die behauptete Pflichtverletzung sprechen.

3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Beweisangebot des Beratungsunternehmens auf Vernehmung des Anlegers als Partei nachzugehen ist über deren Behauptung, der Anleger hätte die streitgegenständliche Anlage auch im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung gezeichnet.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 05.10.2016; Aktenzeichen 11 O 340/15)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des LG Hannover vom 5.10.2016 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage - allerdings unter Kürzung des begehrten Zinszeitraums und unter Abweisung des auf Freistellung von zukünftigen Schäden und Nachteilen aus der Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung gerichteten Antrags - stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Pflichtverletzung der Beklagten darin liege, die Klägerin über eine Reihe von Einzelrisiken und risikoerhöhende Umstände nicht aufgeklärt zu haben, was einen Schadensersatzanspruch der Klägerin begründe. Die Beklagte sei daher nicht nur dazu verpflichtet, der Klägerin den investierten Betrag zzgl. Agio zu erstatten, sondern darüber hinaus auch die alternativen Anlagezinsen, die sie ansonsten erzielt hätte.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt eine unvollständige Sachverhaltsaufklärung. Das LG habe verfahrensfehlerhaft unter Überdehnung der Anforderungen an ein zulässiges Bestreiten der Beklagten auf eine Beweisaufnahme verzichtet, denn jedenfalls habe sie auf Grundlage der Beratungsdokumentation hinreichend wahrscheinlich vortragen können, dass der Klägerin der Emissionsprospekt rechtzeitig übergeben worden sei.

Zudem fehle es jedenfalls an der Kausalität der durch das LG angenommenen Beratungspflichtverletzung für die Anlageentscheidung der Klägerin. Auch hierzu habe das LG zu Unrecht nicht Beweis erhoben.

Die Beklagte beantragt,

1. unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Hannover vom 5.10.2016 (Az. 11 O 340/15) die Klage insgesamt abzuweisen,

2. hilfsweise die Sache unter teilweiser Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist im Übrigen darauf, dass das LG vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 23.3.2017 (III ZR 93/16) rechtsfehlerhaft von einer Verjährung der Ansprüche hinsichtlich einzelner möglicher Beratungspflichtverletzungen der Beklagten ausgegangen sei.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens und wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB Anspruch auf Schadensersatz, weil die von der Beklagten durch ihren Handelsvertreter M. erbrachte Anlageberatung, in deren Folge sich die Klägerin an der K. & C., Z. B. L. GmbH & Co. KG beteiligte, unzureichend war.

Die Klägerin hat zu ihren auf eine nicht anlagegerechte Beratung gestützten Ansprüchen trotz der in ihrem Vorbringen aufgetretenen Widersprüche im Ergebnis schlüssig vorgetragen (hierzu nachfolgend 1). Eine Beweisaufnahme zur Übergabe des Emissionsprospekts war aufgrund nicht ausreichenden Bestreitens der Beklagten entbehrlich. Das LG hat deshalb seiner Entscheidung zutreffend zu Grunde...

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