Entscheidungsstichwort (Thema)
Werbung mit Abnehmprodukt
Leitsatz (amtlich)
Die zu Werbezwecken eingestellte Darstellung von Erfahrungsberichten von Produktnutzern auf der Homepage des Herstellers eines Abnehmprodukts verstößt gegen § 21 Abs. 7 DiätV und Art. 12 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (sog. Health Claims Verordnung), wenn sie Angaben zu Ausmaß und Dauer eine Gewichtsabnahme macht. Dazu genügt es, wenn sie suggeriert, durch Verwendung des Produkts sei innerhalb eines in etwa abgegrenzten Zeitraums ein bestimmter Abnehmerfolg zu erreichen.
Es verstößt ferner gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO, wenn in solchen Erfahrungsberichten der Eindruck vermittelt wird, die Verwendung des Produkts wirke sich positiv auf die Gesundheit aus bzw. verbessere einen Zustand mit Krankheitswert, obgleich sich diese Aussage in der Liste der gem. Art. 13, 14 HCVO zugelassenen Angaben in dieser Form nicht wiederfindet.
Die Vorschriften der HCVO sind nach ihrem Art. 1 Abs. 2 auch auf Werbemaßnahmen in Fachpublikationen anwendbar.
Normenkette
HCVO Art. 1 Abs. 2, Art. 12 lit. b, Art. 10 Abs. 1, Art. 13; DiätV § 21a Abs. 7; UWG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 02.04.2015; Aktenzeichen 7 O 106/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.4.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin wegen der Unterlassungsaussprüche gem. Nrn. 1. a) und b) und 3. des angefochtenen Urteils gegen Leistung einer Sicherheit von jeweils 10.000,00 EUR und des Unterlassungsausspruchs gem. Nr. 2. des angefochtenen Urteils gegen Leistung einer solchen von 80.000,00 EUR sowie wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung der Unterlassungsaussprüche Sicherheit jeweils in vorstehend genannter Höhe und wegen der Kosten Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger - eine vom Freistaat S. finanzierte Verbraucherzentrale in der Rechtsform des eingetragenen Vereins - nimmt die Beklagte auf Unterlassung verschiedener Werbeaussagen im Zusammenhang mit dem Produkt "A.-Vitalkost" betreffend die damit erzielbare Gewichtsreduktion, die Auswirkung auf Blutzuckerwerte und den Stoffwechsel sowie andere positive Auswirkungen im Zusammenhang mit einer Rheumatherapie in Anspruch.
Die Beklagte wirbt auf ihrer Internetseite für das von ihr hergestellte und vertriebene Produkt "A.-Vitalkost". Dort lassen sich die Rubriken "A.: Das Abnehmprodukt", "So geht's: Die richtige Strategie", "Erfolge: Benutzer berichten", "Rezepte: Gesund und lecker" und "Multitalent" anklicken. Unter der Rubrik "Erfolge" finden sich die Unterpunkte "A. - Nutzer berichten" und "Erfolgsgeschichten Diabetiker". Dort sind die von dem Kläger beanstandeten und als Anlagen K 1 bis K 6 zu den Akten gereichten "Erfahrungsberichte" abgebildet, in denen die Nutzer von dem mit Hilfe von "A." verlorenen Gewicht - zwischen 35 und 11 kg - sowie (betrifft die Anlagen K 5 und K 6) verbesserten Blutzuckerwerten berichten. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen Bezug genommen. Auf der Verpackung des von der Beklagten vertriebenen Produkts finden sich ferner die Zusätze "Aktiviert den Stoffwechsel", und "Reguliert nachweislich den Blutzuckerspiegel und begünstigt die Gewichtsabnahme!". Darüber hinaus erschien in der Fachzeitschrift "E.", Heft ..., auf Seiten ... eine Anzeige mit der Überschrift "Rheumatiker profitieren mehrfach mit A.", wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K 8 (Bl. 18 GA I) verwiesen wird.
Der Kläger hält die vorstehend beschriebene Werbung der Beklagten für unlauter. Konkrete Angaben über Zeit(-raum) und/oder Höhe einer Gewichtsabnahme verstießen gegen Artikel 12 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims-VO, nachfolgend: HCVO; von der Beklagten als Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben = VNGA bezeichnet) sowie gegen § 21a Abs. 7 Satz 2 DiätV. Soweit eine Linderung einer Diabeteserkrankung durch Regulierung der Blutzuckerwerte in Rede stehe, handele es sich um eine krankheitsbezogene Werbung, die gemäß § 12
Abs. 1 Nr. 1 und 4 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) grundsätzlich verboten sei. Ebenso wenig dürften spezifische gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden, denn diese verstießen gegen die Regelung in Art. 10 Abs. 1 HCVO. Nach letztgenannter Vorschrift sei auch die Veröffentlichung des Artikels in der Zeitschrift "E." unzulässig, ungeachtet dessen, dass es sich um eine an Fachpublikum wie Lebensmittelwissenschaftler gerichtete Fachzeitschrift handele.
Die Beklagte ist d...