Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Obliegenheitsverletzung in der Kaskoversicherung durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

 

Leitsatz (amtlich)

E.1.1.3 AKB 2015 begründet keine der Verpflichtung aus § 142 Abs. 2 StGB entsprechende Obliegenheit, nachträglich Feststellungen zu ermöglichen.

Das sich aus § 18 Abs. 8 StVO ergebende Halteverbot auf Autobahnen kann bei einem Schutzplankenschaden der Annahme einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit aus E.1.1.3 AKB 2015 entgegenstehen.

 

Normenkette

AKB 2015; StGB § 142; StVO § 18 Abs. 8; VVG § 28

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 2 O 204/17)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. August 2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die A. L., Zweigniederlassung der V. L. GmbH, ..., ..., 10.173,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten erster Instanz haben der Kläger 36 % und die Beklagte 64 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 9 % und die Beklagte 91 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht mit seiner Klage Ansprüche aufgrund eines behaupteten Wildunfalls geltend.

Der Kläger ist Leasingnehmer eines im Mai 2016 erstmals zugelassenen Pkw A., welcher von dem Präsidenten des Klägers, F. O., zu geschäftlichen und privaten Zwecken genutzt wird. Leasinggeberin ist die A. L. Zweigniederlassung der V. L. GmbH. Für das Fahrzeug besteht bei der Beklagten zur Vertragsnummer ...P3 eine Kraftfahrtversicherung, die eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 1.000,00 EUR (Teilkasko: 150,00 EUR) umfasst. Dem Vertrag liegen - abweichend von den Feststellungen in erster Instanz nunmehr unstreitig - die AKB 10/2015 der Beklagten zugrunde (Anlage BK 6, Bl. 135 ff. d. A.). Diese lauten auszugsweise wie folgt:

"Anzeigepflicht

E.1.1.1 Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadenereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen. ...

Aufklärungspflicht

E.1.1.3 Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

  • Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten (Unfallflucht).
  • Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten. Wir können verlangen, dass Sie uns in Textform antworten.
  • Sie müssen uns angeforderte Nachweise vorlegen, soweit es Ihnen billigerweise zugemutet werden kann, diese zu beschaffen.
  • Sie müssen unsere für die Aufklärung des Schadens erforderlichen Weisungen befolgen, soweit dies für Sie zumutbar ist.
  • Sie müssen uns Untersuchungen zu den Umständen des Schadenereignisses und zu unserer Leistungspflicht ermöglichen, soweit es Ihnen zumutbar ist.

E.1.3 Zusätzlich in der Fahrzeugversicherung

Anzeige des Versicherungsfalls bei Entwendung des Fahrzeugs

E.1.3.1 Bei Entwendung des Fahrzeugs oder mitversicherter Teile sind Sie abweichend von E.1.1.1 verpflichtet, uns dies unverzüglich in Textform anzuzeigen.

Anzeige bei der Polizei

E.1.3.3 Übersteigt ein Entwendungs-, Brand- oder Schaden mit Tieren den Betrag von 200,- EUR, sind Sie verpflichtet, das Schadenereignis der Polizei unverzüglich anzuzeigen."

Entschädigungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag trat der Kläger an die Leasinggeberin ab.

Am 1. Mai 2017 gegen 19:00 Uhr befuhr der Präsident des Klägers die Autobahn A9 von Berlin in Richtung Leipzig. Aus streitigen Gründen fuhr er gegen die rechte Schutzplanke. Der Präsident der Klägerin nahm die Beschädigungen an der Schutzplanke in Augenschein und setzte seine Fahrt sodann fort.

Am 3. Mai 2017 zeigte die Klägerin der Beklagten den Unfall an. Diese beauftragte den Dekra-Gutachter Dipl.-Ing. B. mit der Erstellung eines Schadengutachtens. Der Gutachter bezeichnete einen Schutzplankenschaden als plausibel und ermittelte (unter Berücksichtigung von Abzügen neu für alt in Höhe von 264,00 EUR) Netto-Reparaturkosten in Höhe von 11.173,36 EUR.

Der Kläger hat behauptet, sein Präsident habe in Höhe des Rastplatzes Rosselquelle fünf oder sechs Rehen ausweichen müssen, die die Fahrbahn von links nach rechts überquert hätten. Dabei sei er mit dem Fahrzeug gegen die rechte Schutzplanke geraten. Die Schutzplanke habe keine Verformungen oder sonstigen relevanten Schäden aufgewiesen. Er habe weder Alkohol noch Drogen oder andere, die Fahrtauglichkeit beeinträchtigende Mittel zu sich genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich neben den Netto-Reparaturkosten Verbringungskosten und UPE-Aufschl...

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