Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 28.07.2021; Aktenzeichen 6 O 5/21) |
Tenor
Das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 28. Juli 2021 auf die Berufung des Klägers wird teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.779,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. März 2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz tragen der Kläger zu 23 % und die Beklagte zu 77 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 43 % und die Beklagte zu 57 %.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die jeweils unterlegene Partei kann die Zwangsvollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über den Widerruf einer auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung.
Der Kläger erwarb im November 2016 bei der S. u. S. GmbH & Co. KG ein Fahrzeug des Herstellers M., Modell C 220 d T, zum Preis von 49.500,00 EUR. Zur Vollfinanzierung des Fahrzeugs schloss er mit der Beklagten am 19. November 2016 einen Darlehensvertrag (vgl. Anlage K1 Bl. 62 ff. d. A., Bd. I) über den Nettodarlehensbetrag von 49.500 EUR zu einem gebundenen Sollzinssatz von 2,95 % p.a. ab. Die Rückzahlung sollte durch 48 monatlich zu erbringende Raten, beginnend ab Dezember 2016, erfolgen.
Der Darlehensvertrag enthält die folgende Widerrufsbelehrung:
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Wegen der weiteren Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag (Anlage K1, Bl. 62 ff. d. A. Bd. I) Bezug genommen.
Mit undatierter E-Mail (Anlage K2, Blatt 69 d. A., Bd. I), der Kläger trägt insoweit schriftsätzlich - unbestritten - das Datum 26. Juli 2020 vor, erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung, den die Beklagte mit Schreiben vom 10. August 2020 zurückwies. Am 2. Dezember 2020 wurde der streitgegenständliche Darlehensvertrag - auf Initiative des Klägers - um drei Monate verlängert. Durch Zahlung der Schlussrate in Höhe von 29.733,23 EUR wurde der Darlehensvertrag im März 2021 abgelöst. Bis zur vollständigen Ablösung des Darlehens im März 2021 zahlte der Kläger nach eigenem Vortrag insgesamt 54.279,72 EUR an die Beklagte.
Unter dem 7. April 2021 (Anlage B1, gesondert geheftet) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Darlehen vollständig zurückgezahlt geworden sei, händigte die Zulassungsbescheinigung Teil I an ihn aus, übertrug ihm das Eigentum an dem Fahrzeug und sämtliche weitere Sicherungsrechte.
Mit Kaufvertrag vom 23. März 2021 (Anlage K 1, Bl. 297 d. A., Bd. II) - mithin im Laufe des bereits angestrengten gerichtlichen Verfahrens - verkaufte der Kläger das finanzierte Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 19.000 EUR weiter. Den erzielten Kaufpreis zog der Kläger von seinem mit der Klage zunächst (in voller Höhe) geltend gemachten Zahlungsantrag ab, erklärte insoweit den ursprünglichen Klageantrag zu 1) für erledigt und formulierte durch Schriftsatz vom 6. Juli 2021 (Bl. 295 ff. d. A. Bd. II) angepasste Anträge.
Der Kläger hat bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die gesetzliche Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt seiner Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen gewesen, weil die Widerrufsinformation fehlerhaft gewesen sei und er nicht alle erforderlichen Pflichtangaben erhalten habe.
Wegen des weitergehenden Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Widerrufsinformation der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Sie entspreche dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in der ab dem 21. März 2016 geltenden Fassung, weshalb die Gesetzlichkeitsfiktion eingreife. Der Kläger habe zudem die erforderlichen Pflichtangaben erhalten.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, die Widerrufsinformation der Beklagten belehre nur unzureichend über den Beginn der Widerrufsfrist, weil der enthaltene Verweis auf die Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB gegen die Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie verstoße. Die Beklagte könne sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Sie habe den pro Tag zu zahlenden Zinsbetrag fehlerhaft mit 4,06 EUR angegeben, obwohl der Verbraucher bei verbundenen Verträgen nach einem Widerruf keine Zinsen für die Inanspruchnahme des Darlehens zahlen müsse und sie in Ziffer IX. 5. ihrer Darlehensbedingung...