Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einer Transportversicherung für ein Werttransportunternehmen entsprechend der Auslegung des Vertrages nur von einer Versicherung von Bargeld und nicht von Buchgeld auszugehen, so kommt ein Versicherungsfall in der Form eines stofflichen Zugriffs auf das Bargeld in Betracht, wenn das Geldtransportunternehmen entgegen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung mit seinem Kunden, die eine Direkteinzahlung des gesammelten und gezählten Geldes im Wege des sog. Nicht-Kontoverfahrens vorsieht und die Abwicklung über ein vom Werttransportunternehmen eingerichtetes Treuhandkonto nicht gestattet, das Geld zunächst auf ein eigenes Konto bei der Bundesbank einzahlt.
2. Der Versicherer ist berechtigt, einen Vertrag über eine Transportversicherung wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn das Werttransportunternehmen anlässlich des Neuabschlusses eines Vertrages keine Angaben zu dem seit Jahren betriebenen Schneeballsystem und der entstandenen Liquiditätslücke macht. Diese Anfechtung wegen arglistiger Täuschung kann grundsätzlich auch den Kunden des Werttransportunternehmens entgegengehalten werden, soweit vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart ist, dass das Anfechtungsrecht des Versicherers ggü. dem Versicherungsnehmer dem Versicherten (Kunden) nicht entgegengehalten werden kann (Bestätigung der Urteile des OLG Celle u.a. vom 19.9.2008 - 8 U 11/08 - (VersR 2008, 1532 = OLGReport Celle 2009, 179); v. 29.1.2009 - 8 U 41/08 -.
Normenkette
VVG a.F. § 22; VVG §§ 74 ff.; BGB §§ 123, 166; AVB Transportversicherung
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 03.09.2008; Aktenzeichen 6 O 286/07) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin das am 3.9.2008 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Nebenintervenientinnen zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Holding der im deutschen Einzelhandel tätigen Unternehmensgruppe T. Der Holding sind vier verschiedene Geschäftsfelder, sog. Sparten, zugeordnet, und zwar die K. T. AG, die P. W. Gesellschaft mbH, die O. GmbH & Co. KG sowie die K. T. GmbH (Bl. 2, 73 d.A.). Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des den Sparten entstandenen Schadens aus einem Versicherungsvertrag u.a. der H.-T. GmbH mit der Beklagten im Zusammenhang mit von H. durchgeführten Geldtransporten in Anspruch.
Am 18./23.4.2002 schloss die K. T. AG mit der H. T. GmbH einen Transport- und Geldbearbeitungsvertrag (Anlage K 1; zum Vorgängervertrag vom 23.9.1996 vgl. Anlage K 162 d.A.). § 1 bestimmt, dass Zahlungsmittel, die der Auftraggeber dem Auftragnehmer übergibt, im Eigentum des Auftraggebers verbleiben. Gemäß § 3 Ziff. 3 haftet der Auftragnehmer dem Auftraggeber während der für ihn durchgeführten Transporte für Verlust, Vernichtung oder Beschädigung der ihm zur Beförderung übergebenen Gegenstände. Nach § 2 Ziff. 2 endet die Haftung des Auftragnehmers nach ordnungsgemäßer Übergabe der Werte an die von dem Auftraggeber benannte Bank oder sonstige Empfänger. Nach Ziff. 4 umfasst die Haftung auch Verluste durch strafbare Handlungen gegen den Auftragnehmer und Schäden durch Unterlassung und Veruntreuung seitens der Gesellschafter, der Geschäftsführer oder Mitarbeiter des Auftragnehmers. Nach § 8 Ziff. 1 ist H. verpflichtet, einen Versicherungsschutz zu unterhalten und dies nachzuweisen. Gemäß Ziff. 7 tritt der Auftragnehmer alle gegenwärtigen und künftigen mit diesem Vertrag zusammenhängenden Versicherungsansprüche an den Auftraggeber ab. Im Leistungsverzeichnis heißt es zu II. Ziff. 3. ferner:
"Die Banknoten werden, soweit möglich, zu LZB-gerechten Päckchen verarbeitet und an dem auf die Abholung folgenden Bankarbeitstag in einer Summe in die Verfügung der LZB-Bank so rechtzeitig übergeben, dass die valutarischen Gutschriften auf dem Konto des Auftraggebers am selben Tag sichergestellt sind. Der Auftragnehmer hat sich über die Summe der von ihm insgesamt eingezahlten Gelder von der empfangenden LZB eine Quittung ausstellen zu lassen und die direkte Einzahlung des Gesamtbetrages mit gleichtägiger Wertstellung auf das Konto des Auftraggebers wie folgt zu veranlassen:
... (Es folgen vier verschiedene Kontoverbindungen)
Für später von der LZB festgestellte Differenzen haftet der Auftraggeber nur, sofern belegt wird, dass diese aus den Geldeinlieferungen des Auftraggebers resultieren. Eine Abwicklung über vom Auftragnehmer eingerichtete Treuhandkonten ist nicht gestattet."
Ferner schloss die P. W. GmbH mit der H. T. GmbH am 6.12.2002 zwei inhaltsgleiche Transport- und Geldbearbeitungsverträge fü...