Leitsatz (amtlich)

1. Für die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall bei einem in die Haftungsbeschränkung einbezogenen Betriebsweg oder einem von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen "normalen" Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII eingetreten ist, ist entscheidend, ob sich ein betriebliches Risiko oder nur ein "normales" Risiko verwirklicht hat, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluss ggü. dem Schädiger führen soll.

2. Zur Berechnung des Haushaltsführungsschadens

 

Normenkette

SGB VII § 105 Abs. 1; BGB § 843

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 03.11.2006; Aktenzeichen 5 O 212/06)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten wird das Grund- und Teilurteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg vom 3.11.2006 abgeändert und neu gefasst wie folgt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.100 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.6.2006 zu zahlen.

Wegen des weiter gehenden Zinsanspruchs auf 4.100 EUR sowie bezüglich eines Teilbetrags von 500 EUR (abgetretener Anspruch des Ehemanns) wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen ist die Klage dem Grund nach zu 80 % gerechtfertigt.

Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt - auch hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens - dem Schlussurteil vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 6.957,60 EUR.

 

Gründe

(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO):

I. Die Parteien streiten um einen Verkehrsunfall vom 19.11.2005 zwischen der Klägerin als Radfahrerin und der Beklagten zu 1 als Pkw-Fahrerin auf dem Gelände der Diakoniestation Dannenberg in Lüneburg. Die Klägerin wie auch die Beklagte zu 1 sind auf dieser Diakoniestation als Pflegekräfte tätig. Der Unfall kam zustande, als die Beklagte zu 1 mit ihrem Pkw rückwärts aus einer Parklücke nach - aus ihrer Sicht - links herausfuhr und dabei mit der Klägerin zusammenstieß. Unstreitig befanden sich die Unfallbeteiligten auf dem Gelände der Diakoniestation in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Arbeit dort. Die Klägerin erlitt bei dem Unfall erhebliche Verletzungen, u.a. eine Fraktur (Fissur) der Hüftpfanne links und diverse Prellungen, und begehrt deshalb Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das LG hat die Klage mit Ausnahme eines Teilbetrags i.H.v. 500 EUR und eines Teils des Zinsanspruchs dem Grund nach zu 100 % für gerechtfertigt gehalten. Die Beklagte zu 1 habe den Unfall allein verschuldet, weil sie die gesteigerten Sorgfaltsanforderungen beim Ausparken nicht beachtet habe. Der Anspruch der Klägerin sei nicht gem. §§ 104 f. SGB VII ausgeschlossen. Der Verkehrsunfall sei im allgemeinen Straßenverkehr passiert. Die Klägerin könne ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR und darüber hinaus für Fahrtkosten 50 EUR und für die bei dem Unfall beschädigte Hose weitere 50 EUR beanspruchen. Kein Anspruch stünde ihr hinsichtlich des an sie abgetretenen Anspruchs ihres Ehemannes wegen dessen Pflegetätigkeiten zu. Zinsen könnten erst ab Rechtshängigkeit zuerkannt werden.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung.

Die Beklagten erstreben insgesamt die Abweisung der Klage: Es bestünde bereits dem Grunde nach keine Einstandspflicht für sie. Die Schadensersatzansprüche der Klägerin seien gem. § 105 SGB VII ausgeschlossen. Darüber hinaus habe die Beklagte zu 1 den Unfall nicht allein verschuldet.

Die Klägerin verfolgt demgegenüber mit ihrer Berufung im Wesentlichen den vollen Erfolg ihrer Klage: Das Schmerzensgeld müsse 7.500 EUR betragen. Das LG habe zu Unrecht einen Teilbetrag von 500 EUR für die Pflegetätigkeit des Ehemanns der Klägerin aberkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.5.2007 (Bl. 135 d.A.).

II. Beide Berufungen sind nur teilweise begründet.

1. Ein Haftungsausschluss gem. § 105 Abs. 1 SGB VII scheidet aus:

Das angefochtene Urteil ist hier im Ergebnis richtig. Ein Haftungsausschluss nach § 105 Abs. 1 SGV VII kommt vorliegend nicht in Frage. Denn für die Abgrenzung, ob ein Versicherungsfall bei einem in die Haftungsbeschränkung einbezogenen Betriebsweg oder einem von der Haftungsbeschränkung ausgenommenen "normalen" Weg i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII eingetreten ist, ist entscheidend, ob sich ein betriebliches Risiko oder nur ein "normales" Risiko verwirklicht hat, das nach dem Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Gleichbehandlung nicht zu einem Haftungsausschluss ggü. dem Schädiger führen soll.

Für die Annahme eines innerbetrieblichen Vorgangs reicht dabei nur der betriebliche Zweck der zum Unfall führenden Fahrt - hier also bei der Klägerin die Erkundigung über ihre Dienstzeiten, bei der Beklagten zu 1 die Rückfahrt nach Schluss ihres Dienstes - nicht aus. Die Fahrt muss vielmehr selbs...

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