Leitsatz (amtlich)
1. Ein Berufungskläger, der sein Verlängerungsgesuch auf Erschwernisse infolge der Corona-Pandemie stützt, darf regelmäßig ohne Nachfrage bei dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass seinem Antrag entsprochen wird.
2. Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist durch Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1774/19) |
Tenor
I. Der Antrag des Klägers, ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, wird zurückgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 150.189, 60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Leistungen aus zwei von dem Kläger bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherungen sowie um Befreiung von der Beitragszahlungspflicht. Mit dem dem Klägervertreter am 2.2.2021 zugestellten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Die Berufungsschrift ist am 1.3.2021 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit Verfügung vom 8.4.2021, dem Klägervertreter zugegangen am 15.4.2021, wurde der Kläger auf die beabsichtigte Verwerfung der Berufung wegen Nichteinreichung der Berufungsbegründung hingewiesen. Mit am 20.4.2021 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Mit Schriftsatz vom 11.5.2021 hat er die Berufungsbegründung nachgereicht, auf die in diesem Schriftsatz enthaltenen Anträge wird Bezug genommen. Unter Vorlage eines Prüfprotokolls vom 26.3.2021 sowie einer eidesstattlichen Versicherung seiner Kanzleimitarbeiterin A... W... behauptet er, am 26.3.2021 einen Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründung bis zum 29.4.2021 über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht zu haben. Dieser sei offensichtlich infolge eines technischen Fehlers nicht beim Oberlandesgericht eingegangen. Er ist der Ansicht, weil er hiermit eine seit dem 1.7.2005 ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte betraut habe, habe er seine Sorgfaltspflichten erfüllt.
II. Die Berufung des Klägers war wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen. Die gemäß § 520 ZPO bestimmte zweimonatige Frist lief am 6.4.2021 ab. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zwar ist die bis zum 15.5.2021 laufende Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO gewahrt, auch hat der Kläger innerhalb dieser Frist die Berufungsbegründung nachgeholt. Ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 233 ZPO liegt aber nicht vor. Das Fristversäumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, dass sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.
1. Auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.4.2021 durfte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dessen Verschulden sich dieser zurechnen lassen muss, nicht verlassen. Zwar kann sich ein Berufungskläger im Wiedereinsetzungsverfahren auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11; vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; jeweils mwN), was nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall ist, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird. Zu den erheblichen Gründen gehört die Erschwernis einer Kontaktaufnahme mit dem Mandanten infolge der Corona-Pandemie, wie sie im Schriftsatz vom 26.3.2021 dargelegt wird. Bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dürfen an die Darlegung des erheblichen Grundes keine hohen Anforderungen gestellt werden, so dass regelmäßig der bloße Hinweis auf dessen Vorliegen ohne nähere Substantiierung zur Feststellung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausreicht. (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 - VI ZB 47/17 -, Rn. 7 - 9, juris; Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 13 jeweils mwN). Angesichts dessen war der Prozessbevollmächtigte des Klägers hier nicht gehalten, vor Ablauf der ursprünglichen Berufungsfrist bei der Senatsgeschäftsstelle nachzufragen, ob seinem Fristverlängerungsgesuch zwi...