Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarkeit eines Urteils eines Gerichts der Republik Ungarn über Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vollstreckbarkeit eines Urteils eines Gerichts der Republik Ungarn über Kindesunterhalt richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht ggü. Kindern vom 15.4.1958 (BGBl. II 1961, 1005) und dem dazu ergangenen Ausführungsgesetz vom 18.7.1961 (BGBl. I 1961, 1053) in der durch Art. 2 § 8 des Schiedsverfahrensgesetzes vom 22.12.1997 (BGBl. I 1997, 3224) gegebenen Fassung.
2. Im Rahmen der Vollstreckbarkeitserklärung ist die der Verpflichtung zum Unterhalt vorgreifliche Feststellung der Vaterschaft inzident zu prüfen.
3. Wirkt der Verpflichtete an der angeordneten Abstammungsbegutachtung nicht mit, so widerspricht eine aufgrund der Aussage der Mutter getroffene Feststellung seiner Vaterschaft nicht dem ordre public.
4. Das Verfahren zur Vollstreckbarkeitserklärung wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen nicht unterbrochen.
5. Der Wert des Verfahrens zur Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach dem Wert des für vollstreckbar erklärten Anspruchs.
Normenkette
HUÜ 1958 Art. 2 Nr. 5; ZPO §§ 240, 328 Abs. 1 Nr. 4; GKG §§ 42, 47
Verfahrensgang
AG Leipzig (Beschluss vom 30.05.2005; Aktenzeichen 334 AR 0106/03) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG Leipzig vom 30.5.2005 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.677 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Urteil vom 26.11.2001, dem Antragsgegner in deutscher und ungarischer Sprache zugestellt am 13.6.2002 und rechtskräftig seit 29.6.2002, stellte das Stadtgericht Kecskemét den Antragsgegner als Vater der am ... 1995 geborenen Antragstellerin fest und verurteilte ihn rückwirkend ab 1.1.1998 zu laufenden Unterhaltszahlungen. Das AG Leipzig erklärte mit Beschluss vom 30.5.2005 das Urteil im Unterhaltsausspruch in Deutschland für vollstreckbar; dieser Beschluss wurde dem Antragsgegner am 10.6.2005 zugestellt.
Mit Schreiben vom 9.6.2005, Eingang beim AG Leipzig am 21.6.2005, legte der Antragsgegner Widerspruch ein; beigefügt war ein Beschluss vom 24.11.2004, dem zufolge an diesem Tag das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde. Mit Schreiben vom 5.10.2005 stellt der Antragsgegner durch seinen Rechtsanwalt klar, dass sein Widerspruch als sofortige Beschwerde gelten solle, und begründete diese im Wesentlichen damit, das Urteil des Stadtgerichts Kecskemét verstoße gegen den ordre public, weil seine Vaterschaft ohne Abstammungsbegutachtung festgestellt worden sei. Das AG half der Beschwerde nicht ab (Beschl. v. 7.10.2005).
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Vollstreckbarkeit des Urteils des Stadtgerichts Kecskemét vom 26.11.2001 richtet sich nach dem HUÜ 1958 (Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht ggü. Kindern vom 15.4.1958, BGBl. II 1961, 1005), welchem die Bundesrepublik Deutschland am 18.7.1961 und die Republik Ungarn am 19.12.1964 beigetreten sind. Das Verfahren ist geregelt durch das Ausführungsgesetz vom 18.7.1961 (BGBl. I 1961, 1033) in der durch Art. 2 § 8 des SchiedsVfG vom 22.12.1997 (BGBl. I 1997, 3234 [3235]) gegebenen Fassung. Danach unterliegt der vom AG Leipzig getroffene Beschluss vom 30.5.2005 der sofortigen Beschwerde (§ 2 Abs. 4 AusführungsG). Die Beschwerdefrist (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) ist eingehalten; das Rechtsmittel kann auch privatschriftlich eingelegt werden (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
2. Gemäß Art. 2 des HUÜ 1958 sind Unterhaltsentscheidungen, die in einem der Vertragsstaaten ergangen sind, ohne Nachprüfung ihrer Gesetzmäßigkeit anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, wenn die entscheidende Behörde zuständig war, dem Antragsgegner durch Zustellung der Klageschrift rechtliches Gehör eingeräumt wurde und die Entscheidung in Rechtskraft erwachsen ist. Alle diese Voraussetzungen wurden vom AG im Rahmen des Vollstreckungsverfahren (§ 2 Abs. 1 AusführungsG i.V.m. §§ 1063 Abs. 1, 1064 Abs. 2 ZPO) in rechtlich bedenkfreier Weise festgestellt.
Nach Art. 2 Nr. 5 HUÜ 1958 ist eine Anerkennung jedoch ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit der öffentlichen Ordnung des Staats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich unvereinbar ist. Hierauf hebt die Beschwerde ab, indes erfolglos. Da die ausländische Entscheidung grundsätzlich in materieller Hinsicht nicht nachprüfbar ist, muss der ordre-public-Vorbehalt auf krasse Ausnahmefälle beschränkt bleiben (Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 328 Rz. 152a). Ein Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn der deutsche Richter - hätte er den Prozess entschieden - aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das in Anwendung des ausländischen Rechts gefu...