Leitsatz (amtlich)
Für die Schmerzensgeldbemessung in einer Arzthaftungssache sind die unterschiedlichen Risiken verschiedener Anästhesiemethoden nicht relevant, wenn sich diese Risiken nicht verwirklicht haben.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 5 O 209/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der auf Dienstag, 25.06.2024 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 3.000,00 EUR festzusetzen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld wegen behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zusammenhang mit der stationären Behandlung eines Nierensteins unter Anlegen einer Ureterschiene unter Lokalanästhesie im Jahre 2019 im Hause der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 19.01.2024 - auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird - nach sachverständiger Beratung in geringem Umfang stattgegeben. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel nur noch eingeschränkt weiter und rügt, das Landgericht sei bei der Schmerzensgeldbemessung von falschen Grundlagen ausgegangen, es habe unberücksichtigt gelassen, dass die gesamte Behandlung nicht von einer wirksamen Einwilligung gedeckt gewesen sei und sei den vom Kläger behaupteten Dauerschäden nicht hinreichend nachgegangen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil, hat aber im Hinblick auf das zugesprochene Schmerzensgeld Anschlussberufung mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung erhoben. Bei den vom Kläger erlittenen Schmerzen handele es sich um nicht schmerzensgeldfähige Bagatellbeeinträchtigungen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Das Landgericht hat zu Recht keinen über das zugesprochene Schmerzensgeld hinausgehenden Schadensersatz zugesprochen. Die diesbezüglichen Feststellungen begründen jedenfalls keinen Anlass zu Zweifeln im Sinne des § 529 ZPO, die eine im Sinne des Klägers abweichende Entscheidung gebieten würden.
1. Die Feststellungen des Landgerichts rechtfertigen jedenfalls kein höheres Schmerzensgeld als das tatsächlich zuerkannte.
a) Unerheblich ist bei der Schmerzensgeldbemessung, ob und inwieweit die Vollnarkose höhere oder geringere Risiken mit sich gebracht hätte, denn ein über den vom Kläger behaupteten Schmerz hinausgehendes Risiko hat sich bei der tatsächlich durchgeführten Betäubung nicht verwirklicht.
b) Die Behauptung des Klägers, die Operation sei als Körperverletzung zu qualifizieren, weil sie "nicht in vollem Umfange dem medizinischen Standard entsprach" (S. 2 Berufungsbegründung) genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats den Anforderungen an den Vortrag in zweiter Instanz nicht. Hiernach gilt:
An die Feststellungen des Landgerichts ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind. Dies ist aber nicht der Fall. Die bloße Behauptung eines Behandlungsfehlers entgegen den erstinstanzlichen Feststellungen auf der Grundlage eines nachvollziehbaren und gut begründeten Sachverständigengutachtens genügt nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 - 4 U 1285/20 - juris). Zwar ist eine Partei grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits in erster Instanz ihre Einwendungen gegen ein Gerichtsgutachten auf die Beifügung eines Privatgutachtens oder auf sachverständigen Rat zu stützen oder selbst oder durch Dritte in medizinischen Bibliotheken Recherchen anzustellen, um Einwendungen gegen ein medizinisches Sachverständigengutachten zu formulieren (vgl. Senat, Beschluss vom 11.12.2020 - 4 U 1885/20 - juris). Anders ist es hingegen in der Berufungsinstanz. Würde man auch hier einem Patienten gestatten, ohne nähere Angaben seine eigene Meinung zu medizinischen Kausalzusammenhängen derjenigen eines gerichtlichen Sachverständigen entgegenzustellen, liefe dies auf eine Umgehung der in § 529 ZPO geregelten grundsätzlichen Bindungen an das erstinstanzliche Ergebnis einer Beweisaufnahme hinaus (so Senat, a.a.O.; vgl. Senat, Beschluss vom 07.08.2020 - 4 U 1285/20 - juris). Weil der Patient in Arzthaftungssachen regelmäßig über keine medizinische Sachkunde verfügt, kann er konkrete Anhaltspunkte, die in medizinischer ...