Leitsatz (amtlich)
1. Ein Umschüler ist zum Nebenerwerb verpflichtet, um den Regelbedarf eines minderjährigen Kindes sicherzustellen.
2. Der aus dem Nebenerwerb erzielte Nettoverdienst schmälert zwar das Unterhaltsgeld. Dem Umschüler steht jedoch ein Freibetrag i.H.v. 20 v.H. des Unterhaltsgeldes zu, mindestens aber 165 Euro.
3. Auch dann, wenn der Umschüler einer Nebentätigkeit nachgeht, kann er nur den Selbstbehalt eines Nichterwerbstätigen in Anspruch nehmen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Dippoldiswalde (Aktenzeichen 5 F 15/02) |
Tenor
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des AG – FamG – … vom 26.8.2002 nicht bewilligt.
Gründe
Die begehrte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gegen das Urteil des AG vom 26.8.2002, mit dem das Anerkenntnisurteil des AG … vom 31.5.2001 lediglich dahin gehend abgeändert worden war, dass Unterhalt für den am 16.7.1985 geborenen Beklagten i.H.v. 172 Euro/Monat geschuldet wird, ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht i.S.d. §§ 114, 119 ZPO zu versagen. Es kann hierbei dahinstehen, ob das AG auf der Grundlage der vom Kläger erstinstanzlich vorgelegten Bewerbungsunterlagen zu Recht davon ausgegangen ist, dass dieser seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gem. § 1603 Abs. 2 BGB zur Aufnahme einer Vollerwerbstätigkeit genügt hat. Gegen diese ihm günstige Auffassung, die zu einer Herabsetzung des ursprünglich auf 465 DM (237,75 Euro) lautenden Unterhaltstitels geführt hat, wendet sich der Kläger auch nicht. Er beanstandet lediglich, dass das AG ihm ein fiktives Entgelt aus einer Nebentätigkeit im Umfang eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nach § 8 SGB IV zugerechnet hat. Mit diesem Einwand dringt er jedoch nicht durch.
Zutreffend ist das AG davon ausgegangen, dass der Kläger ggü. dem Beklagten einer verschärften Erwerbsobliegenheit aus § 1603 Abs. 2 BGB unterliegt. Ein unterhaltspflichtiger Elternteil muss hiernach ggü. seinem minderjährigen unverheirateten Kind alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um so viel zu verdienen, dass er den Mindestunterhalt auch unter Wahrung seines eigenen Selbstbehaltes leisten kann. Dabei obliegt ihm eine erhöhte Arbeitspflicht unter gesteigerter Ausnutzung seiner Arbeitskraft: Er ist unter Umständen verpflichtet, in zumutbaren Grenzen einen Orts- oder Berufswechsel vorzunehmen oder Arbeiten unterhalb seines Ausbildungsniveaus – auch Aushilfstätigkeiten – zu übernehmen (BGH v. 15.12.1993 – XII ZR 172/92, MDR 1994, 483 = FamRZ 1994, 372; OLG Dresden, Beschl. v. 16.7.1998 – 10 WF 384/97; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, § 1 Rz. 379). Von dieser Erwerbsobliegenheit entbindet ihn grundsätzlich auch die Aufnahme einer mit Unterhaltsgeld geförderten Maßnahme der Fortbildung und Umschulung nicht, es sei denn, dass es sich hierbei um eine Erstausbildung handelt oder ohne die Fortbildung eine Vermittlung des Unterhaltspflichtigen in ein Anschlussarbeitsverhältnis aussichtslos wäre. Auch in einem solchen Fall ist der Unterhaltspflichtige aber gehalten, neben seiner Ausbildung eine zumutbare Nebentätigkeit aufzunehmen (BGH v. 15.12.1993 – XII ZR 172/92, MDR 1994, 483 = FamRZ 1994, 372; OLG Köln v. 30.1.1998 – 4 UF 153/97, OLGReport Köln 1998, 252 = NJW 1998, 3127; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.5.1999 – 3 WF 66/99, Juris). Die Aufnahme einer solchen Nebenbeschäftigung ist dem Kläger auch im vorliegenden Fall zumutbar. Nach den mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Unterrichtszeiten beträgt die Maßnahmedauer lediglich 35 Stunden/Woche. Hinzu kommt die häusliche Nacharbeit. Dem Kläger bleibt hiernach noch hinreichend Zeit, um – etwa in den Abendstunden oder am Wochenende – einer Nebentätigkeit, beispielsweise als Zeitungsausträger oder im Gastronomiegewerbe nachzugehen. Dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der Belastungen aus der Weiterbildungsmaßnahme zumutbar ist, folgt aus § 3 ArbeitszeitG, der für Arbeitsverhältnisse eine werktägliche Obergrenze von acht Stunden vorsieht, mithin davon ausgeht, dass eine Arbeitsbelastung von 48 Stunden in jedem Fall für einen Arbeitnehmer zumutbar ist. Berücksichtigt man die verschärfte Erwerbsobliegenheit aus § 1603 Abs. 2 BGB sowie die Tatsache, dass ein minderjähriger Unterhaltsberechtigter über keine eigenen Einnahmen verfügt und seine Lebensstellung allein von dem Unterhaltsverpflichteten ableitet, so kann für die hier zu beurteilende Verpflichtung zur Aufnahme einer Nebentätigkeit neben einer Weiterbildungsmaßnahme nichts anderes gelten.
Geht man hiernach davon aus, dass dem Kläger eine geringfügige Nebenbeschäftigung in einem Umfang von weniger als 15 Stunden/Woche grundsätzlich zumutbar wäre, so kann gleichwohl nicht der hieraus erzielbare Verdienst von 325 Euro angerechnet werden. Zu beachten sind nämlich die Anrechnungsvorschriften für Nebeneinkommen, die sowohl für Arbeitslosen- als auch für Unterhaltsgeld gelten (§ 141 i.V.m. § 159 SGB III). Übt der Arbeitslose während des Leistungsbezuges ...