Leitsatz (amtlich)
1. Die identifizierende Gerichtsberichterstattung über einen wegen versuchter schwerer Vergewaltigung Angeklagten, die ihn lediglich für seinen engsten Bekannten- und Freundeskreis erkennbar darstellt und nur in einer lokalen Tageszeitung erfolgt, kann unter Abwägung mit dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zulässig sein.
2. Eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung lässt die Wiederholungsgefahr auch für "kerngleiche" Verstöße entfallen.
3. Eine solche Erklärung kann in Verbindung mit weiteren Umständen auch das Bedürfnis für eine Geldentschädigung entfallen lassen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 1482/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 19.1.2023 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller, der sich noch bis 2026 in Haft befindet, begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Unterlassung und Geldentschädigung wegen einer ihn identifizierenden Berichterstattung über einen gegen ihn gerichteten Strafprozess aus dem Jahr 2020, in dem er wegen versuchter schwerer Vergewaltigung und Nötigung angeklagt und wegen Nötigung in einem besonders schweren Fall bei Freispruch im Übrigen verurteilt worden war. Bereits im Jahr 2012 war er wegen verschiedener Straftaten, darunter zwei Vergewaltigungen sowie drei Fälle sexueller Nötigung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. In dem Artikel vom 16.7.2020 wurde er als Serienvergewaltiger bezeichnet. Mit Schreiben vom 11.1.2022 hat die Antragsgegnerin sich insoweit und in Bezug auf die Behauptung, er sei wegen fünf Vergewaltigungen verurteilt worden, zur Unterlassung verpflichtet. Er begehrt nunmehr Prozesskostenhilfe für den Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben es zu unterlassen, über ihn in identifizierbarer Weise zu berichten zu behaupten, der Kläger sei 2012 bereits wegen Sexualverbrechen an fünf Frauen in Leipzig zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden und/oder im Zusammenhang mit den Vorwürfen betreffend das Geschehen am 02.02.2020 bezüglich der zweiten Attacke auf eine Frau sei nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten) Freispruch erfolgt. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt, den der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde in vollem Umfang weiterverfolgt.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO hat der beabsichtigte Klageantrag nicht. Dem Antragsteller stehen weder die geltend gemachten Unterlassungsansprüche noch ein Anspruch auf Geldentschädigung zu.
1. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Antragsteller in dem Artikel aufgrund der mitgeteilten Informationen erkennbar dargestellt ist. Dies lässt die Beschwerde als ihr günstig auch unbeanstandet. Einen Anspruch auf Unterlassung dieser identifizierbaren Berichterstattung aus §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog hat der Antragsteller indes nicht.
a. Wird darüber berichtet, dass gegen jemanden ein Strafverfahren anhängig ist, so ist der Gegenstand jenes Berichts, falls es - wie hier - tatsächlich ein Strafverfahren gibt, zunächst einmal wahr. Zugleich offenbart die Publikation aber mit dem Gegenstand des Verdachts eine Information über den Verdächtigen, die ihrerseits unzutreffend sein kann, so dass es besonderer Vorkehrungen bedarf, um den Einzelnen vor ungerechtfertigten Verletzungen zu bewahren, die durch solche Äußerungen und ihre Publikation entstehen können. Nach den in der Rechtsprechung seit langem anerkannten Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung (vgl. nur BGH, Urteil vom 12.04.2016 - VI ZR 505/14 - juris; vgl. ausführlich Rinsche, AfP 2013, 1; Lehr, AfP 2013, 7), setzt die Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat einen Mindestbestand an Beweistatsachen voraus, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst "Öffentlichkeitswert" verleihen. Regelmäßig ist vor der Veröffentlichung eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Die Darstellung darf keine Vorverurteilung enthalten. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Die namentliche Erwähnung desjenigen, gegen den staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, setzt zusätzlich zu den allgemeinen Anforderungen an eine zulässige Verdachtsberichterstattung voraus, dass auch unter Berücksichtigung des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen bei der erforderlichen Abwägung das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. Eine Namensnennung kommt grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei die Öffentlichkeit besonders berührenden Straftaten in Betracht (Senat, Beschluss vom 25. Juli 2019 - 4 U 1087/19 -, Rn. 5, juris Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 05. Oktober 2016 - 5 U 3/16 -, Rn. 45, juris).
b. Die Einschätzung des Landgerichts, über den Antragsteller habe identifizierend berichtet werde...