Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgerechtsverfahren: Anwendbares Recht im Beschwerdeverfahren nach Gesetzesänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG gelten auch für das Beschwerdeverfahren die bis zum 31.8.2009 geltenden Vorschriften, wenn das Verfahren erster Instanz vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG steht nicht entgegen.

 

Normenkette

FGG-RG Art. 111 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Beschluss vom 03.03.2010)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Dresden vom 3.3.2010 wird verworfen.

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde wird dem Antragsteller verweigert.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.

Der Antragsteller hat den übrigen Beteiligten deren außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

4. Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Am 28.7.2009 beantragte der Kindesvater über die Rechtsantragstelle des AG Dresden, ihm die elterliche Sorge für das ehegemeinsame Kind alleine zu übertragen. Am 30.7.2009 ging der entgegengesetzte Antrag der Kindesmutter beim AG ein.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht das Sorgerecht auf die Mutter übertragen. Dieser Beschluss wurde an die Prozessbevollmächtigte des Vaters am 14.4.2010 zugestellt. Am 14.5.2010 um 13:19 Uhr ging die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Vaters mittels Fax beim AG ein. Das AG hat die Akten dem OLG am 27.5.2010 vorgelegt.

Nach Hinweis, dass die Beschwerde verspätet (weil beim unzuständigen Gericht) eingelegt worden sein dürfte, verteidigt der Vater die Einlegung der Beschwerde beim Familiengericht und beantragt im Übrigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

II.1. Die Beschwerde des Kindesvaters (= Antragstellers) war gem. §§ 621e Abs. 1 und 3, 621 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist (§§ 621e Abs. 3 Satz 2, 517 ZPO).

1.1. Es finden nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG auf das im Juli 2009 durch Antrag und Gegenantrag eingeleitete Verfahren die bis zum 31.8.2009 geltenden gesetzlichen Vorschriften Anwendung.

Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren, auch wenn die angefochtene Entscheidung nach dem 1.9.2010 ergangen ist (vgl. BGH FamRZ 2010, 189; OLG Jena, Beschl. v. 1.3.2010 - 1 F 29/10, zitiert nach Juris; KG FÜR 2010, 103; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 23.11.2009, zitiert nach Juris; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2009, 872; vgl. auch Krause, FÜR 2010, 76).

Zur Begründung hat das OLG Jena (a.a.O., Rz. 17 ff.) ausgeführt:

"Soweit in der Literatur von Prütting (Prütting/Helms, FamFG, Art. 111 FGG-RG, Rz. 5) unter Hinweis auf Art. 111 Abs. 2 FGG-RG die Auffassung vertreten wird, aus jener Norm ergebe sich, dass jede Instanz als selbständiges Verfahren im Sinne der Übergangsvorschriften zu behandeln sei, findet diese - vereinzelt gebliebene - Auffassung in den Gesetzesmaterialien keine Grundlage. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zum FGG-RG (BT-Drucks. 16/6308, 359) erfolgt in Fällen, in denen - wie hier - das Verfahren in erster Instanz noch nach dem bisherigen Recht eingeleitet worden ist, auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach dem bisher geltenden Recht.

Das Beschwerdeverfahren, das am 14.1.2010 eingeleitet wurde, ist kein selbständiges Verfahren i.S.d. Abs. 2 der Übergangsvorschrift (Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., vor § 58 FamFG, Rz. 7). Der Senat folgt insoweit nicht der von Geimer (in Zöller, a.a.O., Einleitung FamFG, Rz. 54) vertretenen Auffassung, dass der "Reparaturgesetzgeber" mit Abs. 2 dem neuen Rechtsmittelrecht eine schnellere Anwendung verschaffen wollte.

Der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/6308, S. 359) ist zu entnehmen, dass die Übergangsvorschrift des Art. 111 Abs. 1 FGG-RG sich einheitlich auf die Durchführung des Verfahrens in allen Instanzen gleichermaßen erstreckt. Ist das Verfahren in erster Instanz noch nach dem bisherigen Recht eingeleitet worden, so erfolgt auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach dem bisher geltenden Recht. Ausschließlich soweit auch bereits das erstinstanzliche Verfahren nach den Vorschriften des FGG-Reformgesetzes durchzuführen war, richtet sich auch die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens nach den Regelungen des FGG-Reformgesetzes.

An dieser Auffassung hat der Gesetzgeber im Zeitpunkt der Einführung der Abs. 2 bis 5 zu Art. 111 FGG-RG festgehalten ... Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien: Im abschließenden Bericht des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VASTRRefG) - BT-Drucks. 16, 11903, S. 61 - wird zur Begründung jener Norm darauf hingewiesen, Art. 111 Abs. 2 FGG-RG stelle klar, dass in Bestandsverfahren die Betreuung, Vormundschaft oder Beistandschaft jeder selbständige Verfahrensgegenstand, der mit einer durch Beschluss (§ 38 FamFG) zu erlassenden Endentscheidung zu erledigen ist, ein neue...

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