Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unterlassungsanspruch wegen des von einer Videokamera ausgehenden "Überwachungsdrucks" kommt im Verhältnis zwischen Mietern einer Wohnanlage regelmäßig in Betracht, wenn die Kamera den Terrassenbereich eines Mieters erfasst, ohne dass dies durch erhebliche Gründe im Einzelfall gerechtfertigt wäre.

2. Die rein vorsorgliche Überwachung zur Vorbeugung befürchteter Einbrüche stellt einen erheblichen Grund dar.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 2371/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20.06.2023 wird aufgehoben.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren soll auf 5.000 EUR festgesetzt werden.

 

Gründe

I. Die Beklagte war bis Ende des Jahres 2021 Mieterin des Klägers im Objekt M... Straße ... in W... Sie installierte im Erdgeschoss ihrer Wohnung im Fenster eine Überwachungskamera, die auf den Garten und die Terrasse des Klägers ausgerichtet war. Die Videokamera hat den Kläger aufgenommen. Die Beklagte hat gegen den Kläger mehrere Strafanzeigen gestellt und nach ihrer Behauptung Datenträger der Polizei übergeben. Die Strafverfahren gegen den Kläger wurden eingestellt und die Beklagte auf den Privatklageweg verwiesen.

Die Beklagte hat behauptet, sie hätte Straftaten des Klägers aufgenommen.

Das Landgericht Dresden hat die Beklagte mit Urteil vom 08.11.2022 verurteilt, sämtliche mittels der in dem ursprünglichen Antrag - der übereinstimmend für erledigt erklärt wurde - näher bezeichneten Überwachungskamera angefertigten Bild- und Tonaufnahmen von dem Kläger auf sämtlichen Datenträgern dauerhaft zu löschen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie meint, die Umsetzung des Urteils sei für sie unmöglich. Sie sei nicht in der Lage, sämtliche Datenträger zu löschen, weil sich diese bei den Ermittlungsakten befänden. Die Herausgabe durch die Polizei würde immer noch nicht garantieren, dass die Justiz die Daten nicht auf einem Sekundärdatenträger gespeichert habe. Im Übrigen würden die Aufnahmen noch für ein weiteres zivilgerichtliches Verfahren vor dem Amtsgericht Dippoldiswalde benötigt werden. In dem Rechtsstreit ginge es um die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses durch die Beklagte wegen des Verhaltens des Klägers. Des Weiteren sei die Kamera softwareseitig so eingestellt worden, dass ausschließlich der Garten der Beklagten und nicht die Wohnung bzw. Terrasse des Klägers aufgenommen worden seien. Diesbezüglich sei der präsente Zeuge D... D... - ihr Lebensgefährte - benannt worden, den das Landgericht nicht einvernommen habe. Der Kläger habe nicht vor gewaltsamen Handlungen gegen ihren Lebensgefährten zurückgeschreckt. Die Beklagte, die die Wohnung allein bewohnt habe, habe aufgrund des völlig unkalkulierbaren Verhaltens des Klägers Angst gehabt. Aus diesem Grund seien die Aufnahmen erfolgt. Wegen der nicht abgelaufenen Verjährungsfrist könne die Beklagte noch entscheiden, ob und wann sie den Privatklageweg beschreiten werde.

Der Kläger meint, dass das Vorbringen der Beklagten zu dem Zivilrechtsstreit vor dem Amtsgericht Dippoldiswalde nicht zu berücksichtigen sei, denn dies sei bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht vorgebracht worden. Das Landgericht habe diesen Vortrag zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Die Beklagte habe schon nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten Ereignisse mit der Überwachungskamera erfasst worden seien und inwiefern diese von strafrechtlicher Relevanz seien.

II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht im tenorierten Umfang stattgegeben.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Löschung der Videoaufnahmen gemäß §§ 1004, 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, Art. 6 DS-GVO zu.

Die ohne Wissen des Klägers von ihm angefertigten Videoaufzeichnungen greifen in sein Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht umfasst die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden und daher grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 16.03.2010 - VI ZR 176/09 - juris).

Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob die Bek...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge