Leitsatz (amtlich)
Einer Verweisung durch das mit der Werklohnklage angerufene Gericht am Ort des Bauwerks an das Wohnsitzgericht des verklagten Auftraggebers ist die Bindungswirkung nicht deshalb abzusprechen, weil der Gerichtsstand des Erfüllungsortes unzutreffend verneint wird (Anschluss an BGH NJW-RR 2002, 1498).
Normenkette
ZPO §§ 29, 281 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
AG Dresden (Aktenzeichen 103 C 1500/09) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das AG Landau a.d. Isar.
Gründe
I. Das OLG Dresden ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Sachentscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes berufen, weil sich die beiden beteiligten, in verschiedenen Bundesländern ansässigen AG, von denen eines in jedem Falle für den Rechtsstreit zuständig ist, unanfechtbar für unzuständig erklärt haben (das AG Landau a. d. Isar sinngemäß durch Ablehnung der Übernahme des Verfahrens und Rücksendung der Akte) und das zuerst mit der Sache befasste AG Dresden die Akten anschließend "seinem" OLG vorgelegt hat.
II. Als örtlich zuständig ist das AG Landau a. d. Isar zu bestimmen, weil dem Verweisungsbeschluss des AG Dresden vom 29.4.2009 Bindungswirkung zukommt, § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Diese auch in Gerichtsstandsbestimmungsverfahren zu beachtende Bindungswirkung kraft gesetzlicher Anordnung entfällt nach allgemeiner Ansicht nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn die Verweisung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder den gesetzlichen Richter ergangen ist oder auf einer objektiv willkürlichen unzutreffenden Rechtsanwendung beruht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 36 Rz. 28 m.w.N.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Das AG Dresden hat die Verweisung an das gem. §§ 12, 13 ZPO zuständige Wohnsitzgericht des Beklagten nach Gewährung rechtlichen Gehörs an beide Parteien und Stellung eines - auch vom Beklagten befürworteten - Verweisungsantrages der Klägerin ausgesprochen. Mit der Frage, ob sich seine Zuständigkeit aus dem allein in Betracht kommenden besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO i.V.m. §§ 269, 270 BGB) ergibt, hat es sich ausdrücklich auseinandergesetzt. Dabei hat es den nicht schlechthin unvertretbaren Standpunkt eingenommen, der im Streitfall geforderte Werklohn für Bauwerksleistungen sei nicht am Ort des Bauwerkes (hier Dresden) zu entrichten, sondern werde üblicherweise vom Auftraggeber von dessen Wohnsitz aus durch Überweisung geleistet. Dass diese Sichtweise mit der dem AG zuvor durch den Klägerschriftsatz vom 19.3.2009 nahe gebrachten Rechtsprechung des BGH (NJW 1986, 935) und der seither einhelligen obergerichtlichen und ganz überwiegenden sonstigen Ansicht, wonach für Werklohnklagen ein besonderer Gerichtsstand am Ort des Bauvorhabens besteht (OLG Karlsruhe OLGReport Karlsruhe 2005, 139; OLG Dresden BauR 2004, 1670; BayObLG MDR 2002, 942; OLG Stuttgart IBR 2001, 99; KG BauR 1999, 940; OLG Frankfurt MDR 1993, 683; OLG Koblenz NJW-RR 1988, 1401), nicht übereinstimmt, lässt die abweichende Meinung weder als unvertretbar noch gar als objektiv willkürlich erscheinen. So räumt denn auch das AG Landau a. d. Isar ein, dass die Rechtsprechung des BGH in der Literatur und bei Instanzgerichten nicht ganz unumstritten ist (a.A. etwa LG Karlsruhe MDR 1990, 1010; LG Saarbrücken BauR 2000, 144). Ist die Begründung des AG Dresden aber immerhin vertretbar, kann dessen Verweisungsbeschluss die Bindungswirkung nicht abgesprochen werden. Soweit einzelne OLG dies in der Vergangenheit für identische Fallgestaltungen anders gesehen und die jeweilige Verweisung durch das Gericht am Ort des Bauwerks an das Wohnsitzgericht des beklagten Auftraggebers für willkürlich gehalten haben (OLG Schleswig MDR 2000, 1453; OLG Naumburg MDR 2001, 769), hat der früher für Gerichtsstandsbestimmungsverfahren zuständig gewesene 1. Zivilsenat des OLG Dresden durch Vorlage gem. § 36 Abs. 3 ZPO auf eine höchstrichterliche Klärung hingewirkt; in Übereinstimmung mit der Auffassung des vorlegenden Gerichts hat der BGH Willkür verneint und die Bindungswirkung des entsprechenden Verweisungsbeschlusses bejaht (NJW-RR 2002, 1498).
Fundstellen
Haufe-Index 2256146 |
NJW-RR 2010, 166 |
NZM 2010, 256 |
ZAP 2010, 833 |
NZBau 2010, 176 |