Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe in Familiensachen: Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Antragsgegner im Verfahren über die Zustimmungsersetzung zur Hormonbehandlung eines minderjährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2; ZPO § 121
Verfahrensgang
AG Pirna (Beschluss vom 13.04.2010; Aktenzeichen 34 F 173/10) |
Tenor
Auf die (sofortige) Beschwerde des Antragsgegners -Kindesvaters - vom 30.4.2010 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Pirna vom 13.4.2010 (34 F 173/10) in der Fassung der Teilabhilfeentscheidung vom 4.5.2010 dahingehend geändert, dass dem Antragsgegner zur Wahrnehmung seiner Rechte im ersten Rechtszug im Rahmen bewilligter Verfahrenskostenhilfe rückwirkend ab Antragstellung Rechtsanwältin, beigeordnet wird.
Gründe
I. Die gemeinsam sorgeberechtigten, aber nicht zusammen lebenden Eltern des betroffenen 13-jährigen Kindes ..., das seit Januar 2009 in einem Kinderheim untergebracht ist, haben vor dem Familiengericht darüber gestritten, ob das Kind sich einer Therapie mit Wachstumshormonen unterziehen solle und ob die Zustimmungserklärung des dem ablehnend gegenüber stehenden Vaters hierzu ersetzt werden solle; im Ergebnis hat das Familiengericht nach Einholung zweier ärztlicher Stellungnahmen (sowohl aus endokrinologischer als auch aus kinderpsychiatrischer Sicht) mit Zustimmung des Jugendamts die entsprechende Ersetzung vorgenommen. Das Gesuch des Antragsgegners um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat das Familiengericht unter Berufung auf § 78 Abs. 2 FamFG zurückgewiesen, weil die Sach- und Rechtslage nicht schwierig sei. Auf die in zulässiger Weise erhobene (sofortige) Beschwerde des Vaters hat das Familiengericht sodann im Wege der Teilabhilfe Verfahrenskostenhilfe gewährt, die Beiordnung eines Rechtsanwalts indes weiterhin abgelehnt und insoweit auf seine o.g. Rechtsauffassung zu § 78 Abs. 2 FamFG verwiesen. Wegen der Einzelheiten der beanstandeten Entscheidung wird auf die Beschlussgründe vom 13.04. bzw. 4.5.2010 (Bl. 12 R und 19 f. des Unterhefts Verfahrenskostenhilfe) Bezug genommen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Dem Antragsgegner ist die Verfahrensbevollmächtigte, die ihn tatsächlich vertreten hat, ab Antragstellung als Wahlanwältin beizuordnen, weil die anwaltliche Vertretung wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten war.
1. Mit Recht geht das Familiengericht davon aus, dass im vorliegenden Verfahren eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben war, so dass sich die Frage, ob dem (unstreitig wirtschaftlich in diesem Sinne bedürftigen) Antragsgegner im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe ein Anwalt auf Kosten der Staatskasse beizuordnen war, nach § 78 Abs. 2 FamFG richtete. Es trifft auch zu, dass mit dieser Vorschrift die Voraussetzungen einer anwaltlichen Beiordnung, verglichen mit § 121 Abs. 2 ZPO, tendenziell enger gefasst sind. So rechtfertigt die Tatsache, dass die Gegenseite im Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, für sich allein gesehen die Anwaltsbeiordnung unter dem Gesichtspunkt der "Waffengleichheit" in dem FamFG unterliegenden Verfahren nicht (das spielt hier letztlich keine Rolle, weil die Mutter des betroffenen Kindes anwaltlich nicht vertreten war; um deren Zustimmungserklärung ging es allerdings auch nicht, weil die Mutter die streitbefangene Hormontherapie im Interesse des Kindes, wie sie es sah, mit Unterstützung des Jugendamts betrieben hat). Auch ist das Tatbestandsmerkmal, dass die Vertretung der hilfsbedürftigen Partei durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheine, in § 78 Abs. 2 FamFG dahin präzisiert worden, dass dieses Erfordernis auf der "Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage" beruhen müsse.
Daraus ergibt sich, zumindest im Lichte der vom Senat für geboten erachteten verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift (vgl. dazu ebenso OLG Rostock MDR 2010, 636), jedoch nicht, dass eine Anwaltsbeiordnung im familiengerichtlichen Verfahren generell nur noch ausnahmsweise in Betracht zu ziehen sei. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auch für weniger bemittelte Beteiligte macht es vielmehr von Verfassungs wegen notwendig, die Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten daran zu messen, ob die Sach- und Rechtslage für die Partei jedenfalls so schwierig ist, dass ein bemittelter Beteiligter in gleicher Lage vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. exemplarisch BVerfG FamRZ 2002, 531).
2. Auch für die Auslegung von § 78 Abs. 2 FamFG, der die vorgenannten verfassungsrechtlichen Grundlagen vorgegeben sind, kommt es mithin darauf an, ob der Beteiligte nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage ist, zu den verfahrensgegenständlichen Streitfragen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ohne anwaltliche Unterstützung sachgerecht Stellung zu nehmen (BVerfG, a.a.O.; zum FamFG ebenso Keske in: Schulte-Bunert/Wein...