Leitsatz (amtlich)
1. Der Ausspruch eines Hausverbotes für einen Sonderpostenmarkt bedarf regelmäßig über die in Art. 3 Abs. 3 GG und §§ 19 ff AGG enthaltenen besonderen Diskriminierungsverbote hinaus keines sachlichen Grundes.
2. Das Filmen einer Person beeinträchtigt deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kann gegen Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung verstoßen.
3. Ein Anspruch auf Vernichtung bereits angefertigter Filmaufnahmen kann im Verfügungsverfahren nur geltend gemacht werden, wenn die Voraussetzungen für eine Leistungsverfügung vorliegen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 3 O 2574/20 EV) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 25.2.2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 3000,- EUR
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte zu 1) neben der Verfügungsbeklagten zu 2) darauf in Anspruch genommen, es zu unterlassen, den von ihr betriebenen Sonderpostenmarkt in G...... zu betreten, dort Filmaufnahmen von ihr und ihren Mitarbeitern zu erstellen und diese zu verbreiten. Daneben hat sie Ansprüche auf Vernichtung der Filmaufnahmen und auf Verhinderung der Weiterverbreitung dieser Aufnahmen im Internet, namentlich über die Homepage des Herrn S... L... geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht haben sich die Parteien ohne Präjudiz für das Hauptsacheverfahren über diese Ansprüche verglichen und das Verfügungsverfahren für erledigt erklärt. Das Landgericht hat gem. § 91a ZPO die Kosten zu 1/10 der Verfügungsklägerin, zu 9/10 der Verfügungsbeklagten zu 1), davon gesamtschuldnerisch haftend zu 5/10 mit der Verfügungsbeklagten zu 2) auferlegt. Hiergegen hat nur die Verfügungsbeklagte zu 1) sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten zu 1) ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben (§ 569 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 ZPO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat ihr zutreffend die nach § 91a ZPO zu verteilenden Kosten in Höhe von insgesamt 90 %, davon in Höhe von 50 % gesamtschuldnerisch mit der Verfügungsbeklagten zu 2) auferlegt.
Erklären beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, ist regelmäßig diejenige Partei mit den Kosten zu belasten, die sie - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage - voraussichtlich auch ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung und ohne ein eventuell vorhandenes erledigendes Ereignis zu tragen gehabt hätte (allg. Auffassung vgl. nur BGHZ 67, 343; Senat, Beschluss vom 05. August 2011 - 4 W 624/11 -, Rn. 40 - 41, juris Zöller/Vollkommer, ZPO,33. Aufl., § 91a Rn. 24, m.w.N.). Im Streitfall wäre aller Wahrscheinlichkeit nach die Verfügungsbeklagte zu 1) unterlegene Partei gewesen, wenn über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hätte streitig entschieden werden müssen.
1. Wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, bestand auf der Grundlage der vorliegenden eidesstattlichen Versicherungen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB gegen die Verfügungsbeklagte zu 1). Die Verfügungsklägerin hat unstreitig spätestens mit dem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigtem vom 13.11.2020 der Verfügungsbeklagten zu 1) ein Hausverbot erteilt, wozu sie aufgrund ihres Hausrechts auch berechtigt war. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt (BGH, Urteil vom 20. Januar 2006 - V ZR 134/05, NJW 2006, 1054 Rn. 7; Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 253/08, NJW 2010, 534, 535 Rn. 11; BGH, Urteil vom 8. November 2005 - KZR 37/03, BGHZ 165, 62, 70 mwN). Unabhängig vom Eigentum an dem mit den Räumlichkeiten verbundenen Grundstück ist es Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt (BVerfG, NJW 1994, 36, 38 mwN). Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche Willensentscheidungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird (BGH, Urteil vom 09. März 2012 - V ZR 115/11 -, Rn. 8, juris). In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) die Inhaberschaft der Verfügungsklägerin an dem Sonderpostenmarkt in G... mit Nichtwissen bestreitet. Ihr aus dem Besitzrecht als Inhaberin folgendes Hausrecht hat die Verfügungsklägerin durch eidesstattliche Versicherung vom 27.11.2020 (Anlage Ast 3) hinreichend glaubhaft gemacht.
Nach der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sollten sich allerdings Einschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts insbesondere daraus ergeben, dass der Hausrechtsinhabe...