Leitsatz (amtlich)

Eine vor Zustellung der Klage ausgesprochene Unzuständigerklärung samt klägerantragsgemäßer "Verweisung" wird nicht rechtskräftig und bindet auch nicht, sondern ist als in die Form einer Verweisung gekleidete bloße Abgabe an dasjenige Gericht anzusehen, welches der Kläger nunmehr, wie ihm vor Rechtshängigkeit ohne weiteres gestattet ist, anstelle des zuerst angegangenen Gerichts anrufen will.

 

Normenkette

ZPO § 281

 

Verfahrensgang

AG Leipzig (Aktenzeichen 111 C 4758/09)

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Nachdem das mit der Kaufpreiszahlungsklage angerufene AG Leipzig eine Zustellung der Klageschrift unter der angegebenen, bei Vertragschluss noch geltenden Adresse des Beklagten in L vergeblich versucht hatte, teilte der Kläger am 13.8.2009 als ladungsfähige Anschrift des Beklagten eine solche in S mit. Auf gerichtlichen Hinweis beantragte er am 20.8.2009 die Verweisung an das AG Senftenberg. Das AG Leipzig leitete dem Beklagten den Schriftsatz vom 20.8.2009 und eine einfache Abschrift der Klageschrift zur Stellungnahme hinsichtlich des Verweisungsantrages bis zum 7.9.2009 formlos zu. Eine Stellungnahme ging nicht ein. Mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 14.9.2009 erklärte es sich für örtlich unzuständig und verwies die Sache an das AG Senftenberg. Dieses hat mit Beschluss vom 16.9.2009 eine Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und die Sache dem OLG Dresden zur Entscheidung vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss sei objektiv willkürlich. Das verweisende Gericht sei gem. § 29 Abs. 1 ZPO zuständig, weil es für den Erfüllungsort nach allgemeiner Ansicht ausschließlich auf den Wohnsitz des Zahlungsschuldners bei Eingehung der Verbindlichkeit, nicht bei Zustellung der Klage ankomme. Von dieser eindeutigen Rechtslage weiche der Verweisungsbeschluss, der § 29 ZPO lediglich benenne, ohne jede Begründung ab. Hinzu komme, dass die Verweisung vor Rechtshängigkeit ausgesprochen worden sei.

Das vorlegende Gericht hat seinen Beschluss den Parteien übersandt, dem Beklagten gegen Zustellungsurkunde mit einer beglaubigten Abschrift der Klageschrift; ein entsprechender Zustellnachweis befindet sich (noch) nicht bei den Akten.

II. Das OLG Dresden ist für das Bestimmungsverfahren gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zuständig, weil die beiden beteiligten AG in verschiedenen Bundesländern belegen sind und das zum Bezirk des hiesigen OLG gehörende AG Leipzig zuerst mit der Sache befasst war.

III. In der Sache kann der Senat eine positive Gerichtsstands- bestimmung nicht treffen, weil die Voraussetzungen eines negativen Kompetenzkonfliktes gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht vorliegen.

1. Eine "rechtskräftige Unzuständigerklärung" im Sinne dieser Vorschrift setzt bei einem gewöhnlichen Zivilprozess stets die Rechtshängigkeit der Sache durch Zustellung der Klage (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO) voraus. Vorher kann das zunächst angerufene Gericht nicht i.S.v. § 281 ZPO verweisen. Eine gleichwohl ausgesprochene Unzuständigerklärung nebst klägerantragsgemäßer "Verweisung" wird - selbst wenn erst nach Anhörung der zu verklagenden Partei ausgesprochen - nicht rechtskräftig und bindet auch nicht, sondern ist als in die Form einer Verweisung gekleidete bloße Abgabe an dasjenige Gericht anzusehen, welches der Kläger nunmehr, wie ihm vor Rechtshängigkeit ohne weiteres gestattet ist, anstelle des zuerst angegangenen Gerichts anrufen will (BGH NJW 1980, 1281 m.w.N.).

2. So liegt es auch hier. Mit dem Verweisungsantrag vom 20.8.2009 hat der Kläger zu erkennen gegeben, dass er die Streitsache vor dem AG Senftenberg statt vor dem ursprünglich angegangenen AG Leipzig austragen will. Da die Klage noch nicht zugestellt, Rechtshängigkeit also noch nicht eingetreten war, ist der Verweisungsbeschluss vom 14.9.2009 in Wahrheit als bloße Abgabe zu würdigen. Dementsprechend ist die Sache an das vorlegende AG Senftenberg zurückzugeben. Dessen Zuständigkeit steht zwar noch nicht fest. Sollte sich der aktuelle Wohnsitz des Beklagten aber tatsächlich in seinem Bezirk befinden und die von ihm auf den Weg gebrachte Zustellung (auch) der Klageschrift erfolgreich gewesen sein, wird es für den Rechtsstreit endgültig zuständig sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2275327

FamRZ 2010, 480

JurBüro 2010, 97

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge