Leitsatz (amtlich)

1. Hinreichende drucktechnische Hervorhebungen der Widerspruchsbelehrung zu einem Lebensversicherungsvertrag fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Benutzung einer hinreichend großen Schrift sowie Schriftart voraus. Außerdem muss die Belehrung zumindest durch die Drucktechnik bzw. -art so stark hervorgehoben werden, dass sie dem Versicherungsnehmer beim Durchblättern der übersandten Unterlagen der übersandten Unterlagen nicht entgegen kann, selbst wenn er nicht aktiv und bewusst nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht.

2. Die Frage, ob die Ausübung des Widerspruchs nach jahrelanger Vertragsdurchführung treuwidrig ist, ist unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheiden (EUGH, Urteil vom 19.123.2019 - C-355/18, C-256/18, C-357/18, C-479/18).

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 11.04.2022; Aktenzeichen 4 U 2762/21)

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 929/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 6.152,70 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 11.04.2022 Bezug genommen, an dem der Senat auch nach erneuter Prüfung und Beratung uneingeschränkt weiter festhält. Die hiergegen vom Kläger mit Schriftsatz vom 26.04.2022 dargelegten Einwendungen hat der Senat geprüft, sie geben aber zu einer Änderung der bereits mitgeteilten Rechtsauffassung keinen hinreichenden Anlass.

Hinreichende drucktechnische Hervorhebung fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Benutzung einer hinreichend großen Schrift sowie Schriftart voraus. Außerdem muss die Belehrung zumindest durch die Drucktechnik bzw. -art so stark hervorgehoben werden, dass sie dem Versicherungsnehmer beim Durchblättern der übersandten Unterlagen nicht entgehen kann, selbst wenn er nicht aktiv und bewusst nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht (BGH, Urteil vom 28.01.2004 - IV ZR 58/03, NJW-RR 2004, 751). Wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, war die auf der ersten Seite der Versicherungsbedingungen unter § 2 abgedruckte Belehrung gerade noch ausreichend zur Erfüllung diesen Anforderungen, da sie sich an prominenter Stelle befand und durch die grafische Gestaltung mittels Trennstriche und der links eingerückten Frage hinlänglich deutlich abgesetzt war. Sie konnte dem Versicherungsnehmer auch beim flüchtigen Durchblättern der ihm übersandten Unterlagen nicht entgehen. Aufgrund der Ausgestaltung war sichergestellt, dass der Kläger diese Belehrung zur Kenntnis nehmen konnte, selbst wenn er nicht nach einer Widerspruchsmöglichkeit suchte. Der Hinweis der Klägerseite auf eine Belehrung, die der Entscheidung des BGH, 07.09.2016 - IV ZR 174/14 zugrunde lag, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, denn ob im Einzelfall eine Widerspruchsbelehrung den Anforderungen an die drucktechnisch deutliche Form im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. entspricht, ist der tatrichterlichen Beurteilung überlassen (BGH, Urteil vom 06. Mai 2020 - IV ZR 102/19 -, Rn. 14, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2022 - 4 U 55/21 -, Rn. 26, juris).

Auch die weiteren Erwägungen der Klägerseite zur Auslegung der neueren Rechtsprechung des EuGH sind nicht überzeugend. Vielmehr wäre es in Anwendung der von dem Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätze unverhältnismäßig, stünde dem grundsätzlich zutreffend informierten Kläger ein sogenanntes ewiges Widerspruchsrecht zu (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss vom 14.01.2021 - 20 U 212/20; OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.02.2021 - 8 U 3888/20 - zit. n. Juris; KG Berlin, Beschluss vom 21.05.2021 - 6 U 16/17, BeckRS 2021, 4371; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. Februar 2022 - 4 U 208/20 -, Rn. 35, juris)). Denn nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.12.2019 - C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, NJW 2020, 667 "Rust-Hackner") ist nicht jede unrichtige Information über die Form der Erklärung des Widerspruchs, die in der Belehrung, die der Versicherungsnehmer vom Versicherer erhält, enthalten ist, als fehlerhafte Belehrung anzusehen.

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