Leitsatz (amtlich)
1. Für die Klage der durch einen Nachlasspfleger vertretenen unbekannten Erben auf Auszahlung der Versicherungssumme eines vom Erblasser geschlossenen Lebensversicherungsvertrags besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie als "Erben laut Erbschein" zu Bezugsberechtigten eingesetzt worden sind.
2. Bei einer solchen Bezugsberechtigung fällt der Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht in den Nachlass.
3. Ob der für die unbekannten Erben handelnde Nachlasspfleger in einem solchen Fall den mit der Einsetzung eines Bezugsberechtigten verbundenen Auftrag an den Versicherer, den Erben das darin liegende Schenkungsangebot zu überbringen (vgl. BGH, Urteil vom 21.05.2018 - IV ZR 238/06), widerrufen kann oder ob ein solcher Widerruf rechtsmissbräuchlich wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls kann ein solcher Widerruf nicht im Deckungsverhältnis zum Versicherer eingewandt werden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 3106/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Dresden vom 27.04.2018 - Az. 8 O 3106/17 - wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil in Ziff. 1 dahingehend neu gefasst, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
III. Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.999,22 EUR festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg (hierzu unter 1.). Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten hingegen führt zur Abweisung der Klage als unbegründet (hierzu unter 2.).
1. a.) Die Klage war allerdings nicht bereits wegen fehlender Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen. Die Prozessführungsbefugnis ist das Recht und die Fähigkeit, über das behauptete Recht einen Prozess als die richtige Partei im eigenen Namen zu führen (Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., vor § 50 Rz. 16). Sie liegt immer dann vor, wenn der klagenden Partei das behauptete Recht nach eigenem Vortrag zustehen kann. Davon zu unterscheiden ist die Sachbefugnis bzw. Aktivlegitimation. Steht die behauptete Forderung der Klagepartei nicht zu, so wird die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation als unbegründet, nicht aber als unzulässig abgewiesen (Zöller/Althammer, aaO.). Vorliegend berühmen die Kläger sich einer Nachlassforderung. Für deren Geltendmachung ist der Nachlasspfleger zwar nicht als Partei kraft Amtes wie der Nachlassverwalter, wohl aber als Vertreter der unbekannten Erben, zu dem er mit Bestallungsurkunde des Amtsgerichts Dresden vom 25.03.2013 (Anlage K 1) berufen wurde, berechtigt.
Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, denn wenngleich die Kläger im Falle eines überschuldeten Nachlasses im Einzelfall möglicherweise finanziell günstiger gestellt werden, wenn die Versicherungsleistung direkt in ihr Vermögen fiele anstatt in den Nachlass, dürfte das Rechtsschutzbedürfnis aber zumindest im Hinblick auf die Klärung der Frage, ob die Forderung in den Nachlass fällt oder nicht, zu bejahen sein.
b) Die Klage ist aber unbegründet, weil den Klägern die streitgegenständliche Versicherungsleistung nicht als Nachlassforderung zusteht.
Nach der Systematik des § 160 VVG, der für bestimmte Fälle Auslegungsregeln hinsichtlich der Bezugsberechtigung von Versicherungsleistungen enthält, (§ 160 Abs. 2 VVG) sind die Erben des Versicherungsnehmers bezugsberechtigt. Dies bedeutet gerade nicht, dass die Versicherungsleistung zunächst in den Nachlass fällt, bevor sie an die Erben ausgekehrt wird. Nach einhelliger Auffassung gehört der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung auf der Grundlage einer Bezugsberechtigung nicht zum Erblasservermögen, sondern entsteht mit dem Todesfall unmittelbar im Vermögen des Bezugsberechtigten (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.2018 - X ZR 119/15, Rz. 13 mwN - juris; BGH, Urteil vom 28.04.2010, IV ZR 73/08, Rz. 17 - juris mwN; juris-Praxiskommentar BGB § 2311, Rz. 45 und Rz. 46 mwN - juris MüKo-Lange BGB, 7. Aufl., Bd. 10, § 2311, Rz. 10 mwN; Bruck/Müller VVG, 9. Aufl. 2013, § 159, Rz. 188 mwN; MüKo, VVG Bd. 2, 2. Aufl. 2016, § 159, Rz. 15; Kammergericht Beschluss vom 29.11.2016, 6 W 112/16, Rz. 1 - juris).
Die Benennung eines Bezugsberechtigten ist freilich wie jede andere Willenserklärung, soweit sie nicht eindeutig ist, der Auslegung zugänglich. Da § 160 VVG nicht grundsätzlich die Auslegung der Bezugsberechtigung regelt, sondern nur deren Auslegung in bestimmten Fällen, gelten zunächst die allgemeinen zivilrechtlichen Auslegungsregelungen der §§ 133, 157 BGB (BGH Urteil vom 01.04.1987 - IVa ZR 26/86, Rz. 11 - juris; Staudinger/Halm/Wendt, Fachanwaltskommentar Versicherungsrecht, § 160, Rz. 14; Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 160, Rz. 1 mwN). Abzustellen ist also zunächst auf den Willen des Versicherungsnehmers (VN), wie er bei der Best...