Leitsatz (amtlich)
1. Klage des Nachlasspflegers für unbekannte Erben auf Herauszahlung einer Todesfallleistung aus einer Rentenversicherung
2. Das Bezugsrecht des oder der Begünstigten im Deckungsverhältnis ist strikt vom Rechtsgrund für das Behaltendürfen im Valutaverhältnis zu unterscheiden.
3. Zur Durchbrechung des Trennungsgebots nach § 242 BGB bei einem offenkundigen und leicht nachweisbaren Mangel im Valutaverhältnis.
Normenkette
BGB §§ 242, 328, 331, 516, 518, 671
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 21.12.2022; Aktenzeichen 3 O 394/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 21.12.2022, Az. 3 O 394/22, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um das Recht des Klägers, als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der verstorbenen ... (im Folgenden: Erblasserin) die Todesfallleistung aus einer bei der Beklagten bestehenden Rentenversicherung einzuziehen.
Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgerichts - Rockenhausen vom 10.08.2021 (Anl. K 1, Bl. 10 d.A.) nach dem Versterben der Erblasserin zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis "Ermittlung der Erben" und "Sicherung und Verwaltung des Nachlasses" bestellt worden. Diese hatte bei der Beklagten auf der Grundlage ihres Versicherungsantrags vom 19.09.2012 (Anl. BLD 1, Bl. 76 d.A.) eine aufgeschobene Rentenversicherung mit Indexpartizipation gegen Zahlung eines Einmalbeitrags unterhalten; auf den Versicherungsschein Nr. ... (Anl. K 7, Bl. 31 d.A.) wird Bezug genommen. Nach den Vereinbarungen war ab dem 01.10.2024 eine monatliche Rentenzahlung vorgesehen. Am 27.11.2020 verstarb die Erblasserin. Aufgrund des vor Rentenbeginn eingetretenen Todes der Erblasserin ist bedingungsgemäß eine Versicherungsleistung in Höhe von 11.138,23 EUR fällig, die Gegenstand der Klage ist. Bezugsberechtigt im Todesfall sind - nach der Bestimmung der Erblasserin im Versicherungsantrag und dem Inhalt des Versicherungsscheins - die "gesetzlichen Erben der versicherten Person". Schon im Jahr 2012 war die Erblasserin verwitwet und kinderlos; ihre Eltern waren verstorben. In Frage kommende Erben sind bislang nicht ermittelt worden.
Mit Schreiben vom 06.09.2021 (Anl. K 4, Bl. 24 d.A.) bat der Kläger um die Mitteilung der auszuzahlenden Versicherungssumme und erklärte gegenüber der Beklagten vorsorglich für den Fall, dass ein Bezugsrecht bestehen sollte, den Widerruf eines von der Erblasserin erteilten Auftrags, dem Dritten den Eintritt des Versicherungsfalls und die Zuwendung des Bezugsrechts mitzuteilen. Die Beklagte lehnte eine Auszahlung der Versicherungsleistung an den Kläger unter Hinweis auf das Bezugsrecht, welches im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls unwiderruflich geworden sei, ab. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Auszahlung der Versicherungssumme an ihn sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, jeweils nebst Zinsen.
Er hat erstinstanzlich vorgetragen,
er sei zur Einziehung der Versicherungsleistung berechtigt. Die Bezugsberechtigung bedeute nichts anderes als eine Einsetzung der Erbmasse. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bezugsberechtigt die zu ermittelnden Erben persönlich seien, so sei er in seiner Eigenschaft als Nachlasspfleger umfassend für die Erben handlungsbefugt und daher auch berechtigt, die Überbringung eines Schenkungsangebots seitens der Beklagten an die persönlich bezugsberechtigten Personen zu widerrufen. Dies habe zur Folge, dass diese ihr Bezugsrecht gegenüber der Beklagten nicht mehr ausüben könnten und die Beklagte somit zur Auszahlung der Versicherungssumme an ihn verpflichtet sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn in seiner Eigenschaft als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am 27.11.2020 in ... verstorbenen ..., geb. ..., einen Betrag in Höhe von 11.138,23 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.05.20222 zu zahlen,
2. an ihn in seiner Eigenschaft als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am 27.11.2020 in ... verstorbenen ..., geb. ..., weitere 1.054,10 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie war erstinstanzlich der Auffassung,
der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung der Todesfallleistung. Die Forderung gehöre nicht zur Erbmasse. Es handele sich nicht um eine Nachlassforderung, sondern um einen Vertrag zugunsten Dritter. Forderungsberechtigt seien die zu bestimmenden gesetzlichen Erben persönlich, die nicht identisch sein müssten mit den vom Kläger zu ermittelnden Erben. Das Bezugsrecht sei eindeutig und nicht auslegungsfähig. Es sei zu unterscheiden zwische...