Leitsatz (amtlich)
›1. Eine nicht nach § 3 WährG genehmigte Lohngleitklausel in einer sog. "Pfennigklausel" ist unwirksam, wenn sie so gefasst ist, dass sich nicht nur die tatsächlichen Lohnkostenveränderungen auf den veränderten Werklohn auswirken.
2. An die Stelle der unwirksamen Lohngleitklausel tritt eine Klausel, die nach der zulässigen Berechnung gefasst ist. Ausgangspunkt ist dabei auch dann die vertragliche Vereinbarung über den maßgeblichen Tariflohn (hier: Tarifstundenlohn des Spezialbaufacharbeiters gemäß Berufungsgruppe III. 2, nur gültig in den alten Bundesländern), wenn dieser im Vertragsgebiet (Sachsen) nicht gezahlt wird.
3. Das auf Grund der unwirksamen Klausel zu viel Gezahlte kann der Auftraggeber zurückfordern. Die frühere Zahlung des Auftraggebers auf die Schlussrechnung stellt grundsätzlich kein dem entgegenstehendes Anerkenntnis dar.
4. Die Forderung auf Rückzahlung ist im Einzelfall auch dann nicht verwirkt, wenn sie erst nach sieben Jahren erhoben wird.‹
Verfahrensgang
LG Dresden (Entscheidung vom 24.10.2005; Aktenzeichen 9 O 2723/05) |
Gründe
I. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Rückzahlung überzahlten Werklohnes in Höhe von 48.635,44 EUR.
Sie beauftragte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Zuschlagschreiben vom 07.01.1993 (Anlage K 1) mit der Errichtung des Brückenbauwerkes "BW 28" über die BAB 4 Dresden/Bautzen zum Preis von 3.321.160,70 DM. Nach Vorgabe durch die Klägerin wurde dem Vertrag für den Bauabschnitt II die als Anlage K 2 vorgelegte Lohngleitklausel zugrunde gelegt. Der gemäß Abs. 3 der Klausel vereinbarte Änderungssatz beträgt 0,2031 Promille. Diesen hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Zuge ihres Angebotes mit dem als Anlage K 3 vorgelegten Verzeichnis zur Lohngleitklausel angegeben. Das Angebot für den Bauabschnitt II erfolgte auf der Grundlage der als Anlage K 6 vorgelegten Kalkulation. Hinsichtlich der Einzelheiten der genannten Vertragsbestandteile wird auf die Anlagen K 2, K 3 und K 6 Bezug genommen. Unter dem 14.01.1997 legte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihre Schlussrechnung, deren Prüfung durch die Klägerin einen Mehrvergütungsanspruch auf Grund der Lohngleitklausel in Höhe von 112.093,50 DM netto ergab. Nach am 10.06.1997 erfolgter Feststellung des Schlussrechnungsprüfungsergebnisses (Anlage K 5) wurde dieser Betrag zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer an die Rechtsvorgängerin der Beklagten gezahlt. Im Laufe des Jahres 2004 erhielt das A.......... Sachsen eine Prüfungsmitteilung des Bundesrechnungshofes zur Abrechnung dieser Baumaßnahme, wonach der Lohngleitung ein überhöhter Änderungssatz zugrunde gelegt worden sei und der zutreffende Änderungssatz 0,15 Promille betrage.
Die Klägerin ist der Auffassung, mit dem Änderungssatz von 0,2031 Promille stelle die Lohngleitklausel eine genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsfähige Wertsicherungsklausel im Sinne von § 3 Währungsgesetz dar, weil der 0,15 Promille übersteigende Änderungssatz auf der Berücksichtigung lohnunabhängiger Kostenanteile beruhe, so dass die Klausel unwirksam sei. Die Preisanpassung aufgrund nachträglich gestiegener Lohnkosten sei damit auf der Basis des zulässigen Änderungssatzes von 0,15 Promille unter Berücksichtigung des 0,5 %igen Selbstbehaltes vorzunehmen, was zu einem auf die Lohngleitung entfallenden Vergütungsanspruch von 29.378,15 DM zuzüglich Mehrwertsteuer führe, so dass die Beklagte den darüber hinaus auf die Lohngleitklausel gezahlten Betrag von 95.122,65 DM brutto (48.635,44 EUR) der Klägerin gemäß § 812 BGB zu erstatten habe.
Die Beklagte wendet ein, die Rückforderung des Betrages sei bereits auf Grund eines in der Schlusszahlung liegenden deklaratorischen Schuldanerkenntnisses der Klägerin ausgeschlossen. Selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der Lohngleitklausel könne die Klägerin Rückzahlung nicht beanspruchen, weil bei der dann vorzunehmenden Preisanpassung auf die tatsächlich nachträglich gestiegenen Lohnkosten im Tarifgebiet Ost abzustellen sei. Zudem könne der Selbstbehalt nicht in Abzug gebracht werden. Darüber hinaus erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und beruft sich auf Verwirkung, weil sie im Jahre 2004 mit einer Rückzahlungsforderung nicht mehr habe rechnen müssen.
Mit dem angefochtenen Endurteil vom 24.10.2005, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Lohngleitklausel als sog. "Spannungsklausel" genehmigungsfrei und damit wirksam sei.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie den Anspruch weiterverfolgt.
Dabei wiederholt sie ihren Vortrag aus der ersten Instanz und vertieft ihn insbesondere dahingehend, dass die streitgegenständliche Lohngleitklausel weder als genehmigungsfreie "Spannungsklausel" noch als genehmigungsfreie "Kostenelementeklausel" im Sinne des § 3 Satz 2 Währungsgesetz anzusehen sei.
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Landgerichts Dresden zum Az.: 9 O 2723/05 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, an die ...