Leitsatz (amtlich)
1. Verspricht ein Versicherer eine Entschädigung, wenn "die zuständige Behörde aufgrund einer Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz den Betrieb schließt", ist der Deckungsumfang nicht auf sog. intrinsische Gefahren beschränkt.
2. Eine Klausel in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung, die meldepflichtige Erkrankungen als "die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger" definiert und diese sodann im Einzelnen auflistet, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers als abschließend zu verstehen; eine Erstreckung auf Betriebsschließungen aufgrund von SARS-COV 2/Covid-19 scheidet aus. Eine unangemessene Benachteiligung wegen einer Entkernung des Schutzgedankens der Betriebsschließungsversicherung liegt hierin nicht.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1143/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 17.12.2020 - 3 O 1143/20 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 90.642,86 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung für den Zeitraum vom 22.03.2020 bis 14.05.2020.
Er betreibt auf dem W...-Platz X in L... die Gaststätte "M..." und hat mit der Beklagten zum 01.01.2019 eine Inventarversicherung einschließlich Betriebsschließung für die Haftzeit von vier Wochen abgeschlossen (Anlage B1, Bl. 103 f. d. A.). Er hat am 09.04.2020 zum 18.03.2020 die Betriebsschließungsversicherung auf acht Wochen erweitert (Anlagen K2, K3).
Die Versicherungsbedingungen (Fassung Januar 2017) enthalten unter anderem folgende Regelungen:
1. Der Versicherer leistet Entschädigung
bis zu den vereinbarten Entschädigungsbegrenzungen für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, Maßnahmen der in den Ziffern 1.1 bis 1.4 oder soweit zusätzlich vereinbart auch der in Ziff. 1.5 genannten Art ergriffen hat. ...
1.1 Betriebsschließung
Als Betriebsschließung gilt, wenn die Behörde den versicherten Betrieb ganz oder teilweise zur Verhinderung und Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt oder deshalb Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige ausspricht...
2. Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten:
2.1 Meldepflichtige Krankheiten
Botulismus, ...
2.2 Meldepflichtige Krankheitserreger
Adenoviren, ...
In den Versicherungsbedingungen ist COVID-19/ SARS-CoV-2 nicht aufgeführt. Mit Schreiben vom 09.04.2020 (Anlage K 2) übersandte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschein zur Vertragsänderung zum 18.03.2020. Dort wurde u. a. Folgendes ausgeführt:
Bitte beachten Sie folgenden Hinweis:
Die in unseren Bedingungen zur Betriebsschließung aufgeführten "Krankheiten und Krankheitserreger" enthalten eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten bzw. Krankheitserreger.... Demnach ist eine behördlich angeordnete Betriebsschließung aufgrund von COVID-19-Erkrankungen bzw. SARS-CoV-2-Viren nicht versichert.
Mit der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhang vom 20.03.2020 zum Schutz vor dem Coronavirus wurde der Betrieb von Gaststätten untersagt. Aufgrund weiterer Allgemeinverfügungen und Verordnungen blieb die Schließung bis 14.05.2020 angeordnet.
Mit Schreiben vom 31.03.2020 begehrte der Kläger Versicherungsleistungen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 02.04.2020 ihre Einstandspflicht ab.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch aus der Versicherung zustehe. Die aufgezählten Krankheiten in den Bedingungen seien nur als Beispiele und Informationen zu verstehen gewesen. Die Bedingungen enthielten keine hinreichend klare Klausel über den Ausschluss von bestimmten Krankheiten und Krankheitserregern. Die Klausel sei mehrdeutig und daher sei die kundenfreundlichste Variante der Auslegung zu wählen. Die Verweisung sei zudem dynamisch. Zu berücksichtigen seien die Auffangregelungen in §§ 6 und 7 IfSG, weshalb auch neue Erkrankungen in den Versicherungsschutz einbezogen seien.
Die Beklagte ist dem mit der Auffassung entgegengetreten, der Versicherungsschutz greife nicht, weil in den Versicherungsbedingungen eindeutig ein abschließender Katalog von Krankheiten enthalten sei, für die allein Versicherungsschutz zugesagt sei. Dies folge aus der Formulierung, dass "nur die folgenden Krankheiten und Krankhe...