Leitsatz (amtlich)
Die Grundsätze über Bürgschaften krass überforderter Ehepartner bzw. nichtehelicher Lebenspartner sind nicht anwendbar, wenn der Bürge im Betrieb des Hauptschuldners eine mitunternehmerähnliche Stellung innehat und daher ein eigenes wirtschaftliches Interesse vorliegt.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5-0-4476/00) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Dresden vom 20.3.2001, Az. 5 O 4476/00, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 250.000 DM abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch.
Herr … (fortan: Hauptschuldner) machte sich Ende 1993 selbstständig und eröffnete ein Goldschmiedeatelier mit Werkstatt und Ladengeschäft in. Unter dem 19.9.1994 eröffnete der Hauptschuldner bei der Klägerin ein Giro-Konto und erteilte gleichzeitig der Beklagten und deren Mutter hierüber Verfügungsberechtigung (Bl. 98 ff. d.A.). Die Beklagte lebte zu diesem Zeitpunkt mit dem Hauptschuldner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und absolvierte bei ihm eine Goldschmiedelehre.
Ende 1994 beabsichtigte der Hauptschuldner eine Betriebsverlagerung nebst Neueinrichtung eines Ladengeschäftes nach und stellte zur Gewährung eines Kredits der Klägerin sein Unternehmenskonzept vor (Anlage BB 2). Der Hauptschuldner vereinbarte mit der Klägerin am 15.12.1994 (Bl. 10 ff. d.A.) und am 30.3.1995 (Bl. 14 ff. d.A.) auf das vorbezeichnete Geschäftsgirokonto valutierte Darlehensverträge. Die Beklagte gab für die bestehenden Verbindlichkeiten zu Gunsten der Klägerin am 28.1.1995 (Bl. 165 d.A.) und am 13.11.1995 (Bl. 166 d.A.) eine Bürgschaft über 200.000 DM ab. Mit Datum vom 3.9.1996 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Selbstauskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse (Bl. 101 ff. d.A.). Unter dem 24.10.1997 unterzeichnete die Beklagte eine Bürgschaft bis zu einem Höchstbetrag von 200.000 DM für die Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus dem Kontokorrentkonto, einem Avalkredit und aus den vorgenannten Darlehen (Bl. 167 d.A.).
Die Beklagte bezog im Zeitraum vom 13.10.1997 bis zum 31.12.1997 Arbeitslosengeld (Bl. 60 d.A.). Unter dem 15.3.1999 schloss der Hauptschuldner mit der Beklagten einen Arbeitsvertrag (Bl. 124 ff. d.A.).
Im September 1998 traten Zahlungsrückstände bei den Darlehensraten auf. Die Beklagte beabsichtigte, das Unternehmen des Hauptschuldners zu übernehmen und führte – unter Vorlage eines Unternehmenskonzeptes (Bl. 22 ff. d.A.) – ab Mai 1999 mit der Klägerin konkrete Verhandlungen, die auch die Entlassung aus der Bürgschaft zum Gegenstand hatten. Um die Verhandlungen mit der Beklagten uneingeschränkt führen zu können, befreite der Hauptschuldner die Klägerin am 1.6.1999 vom Bankgeheimnis (Anlage BB 12). Der Hauptschuldner meldete sein Gewerbe im November 1999 ab. Die Beklagte meldete am 22.11.1999 ihr Gewerbe in an (Bl. 130 d.A.). Die Verhandlungen mit der Klägerin führten zu keinem Ergebnis.
Unter dem 28.3.2000 stellte die Klägerin ihre – den Höchstbetrag der Bürgschaft übersteigende – Forderung gegenüber dem Hauptschuldner fällig (Bl. 32 ff. d.A.) und forderte die Beklagte mit Schreiben vom 29.3.2000 zur Zahlung von 200.000 DM auf (Bl. 8 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 26.5.2000 focht die Beklagte die Bürgschaft vom 24.10.1997 wegen arglistiger Täuschung und Drohung an (Bl. 61 d.A.).
Die Klägerin hat in 1. Instanz vorgetragen:
Bei Erteilung der Bürgschaft sei die Beklagte mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bei dem Hauptschuldner nicht bedroht worden. Im Zeitpunkt der Anfechtungserklärung sei die Frist zur Anfechtung abgelaufen gewesen. Die Beklagte habe im Betrieb des Hauptschuldners eine mitunternehmerähnliche Stellung inne gehabt und sei die eigentliche treibende Kraft des Unternehmens gewesen. Die Bürgschaft überfordere sie nicht in wirtschaftlich krasser Weise und sei daher nicht sittenwidrig. Im Übrigen sei die Beklagte bei sämtlichen zu den Bürgschaftserteilungen geführten Gesprächen durch ihren Steuerberater fachkundig beraten worden.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin i.H.v. 200.000 DM zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. DÜG ab dem 27.5.2000 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat in 1. Instanz vorgetragen:
Während der Gespräche mit der Klägerin habe sie sich bei dem Hauptschuldner in einem weisungsabhängigen Angestelltenverhältnis befunden. Die Klägerin habe mit der Kündigung der Kredite und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht. Bei den Gesprächen sei lediglich der Steuerberater des Hauptschuldners anwesend gewesen. Die übernommene Bürgschaft habe sie in objektiver und für die Klägerin erkennbar krasser Weise finanziell überfordert. Mit ihrem gegenwärtigen Bruttoeinkommen v...